Revolutionen in der Geschichte

Von Gerrit Brüning

Beate Landefeld

Revolution

Basiswissen Politik/Geschichte/Gesellschaft/Ökonomie

PapyRossa Verlag, Köln 2017

Pocketformat, 146 Seiten, 9,90 Euro

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Das Buch „Revolution“ erscheint innerhalb der vom PapyRossa-Verlag herausgegebenen Reihe „Basiswissen“. Deren Konzept ist es, von fortschrittlichen oder marxistischen Autoren verfasste Einführungen in verschiedene Themengebiete zu veröffentlichen. Typisch für „Basiswissen“ ist es daher auch, dass es sich stets um Büchlein von stark begrenztem Seitenumfang handelt. Im Fall von „Revolution“ bedeutete dies, dass Beate Landefeld ihre komplexe Thematik auf circa 140 Seiten behandeln musste. Zur Bewältigung dieser Aufgabe wählte sie, als Marxistin, einen historischen Zugang.

Auch wenn dies nicht zwingend bedeuten muss, in der Erzählung einer strengen zeitlichen Abfolge zu folgen, ist genau dies bei „Revolution“ der Fall. Hier nimmt eine Chronologie der Revolutionen den größten Teil des Buches ein. Dies bedeutet nicht weniger, als dass sich Landefeld mit insgesamt 12 000 Jahren Menschheitsgeschichte – vom Neolithikum bis zum 20. Jahrhundert – beschäftigt.

Dass dabei ein großer Teil der Geschichte auf der Strecke bleiben muss, will man nicht ganze Bibliotheken füllen, ist logisch. Beate Landefeld löst dieses Problem, indem sie sich nicht in den historischen Details verzettelte, sondern die großen geschichtlichen Entwicklungslinien nachzeichnete. Der Leser soll durch die Lektüre des Buches in die Lage versetzt werden, historisch erklären zu können, wie sich die bürgerliche Gesellschaft, in der wir heute leben, aus den ihr vorhergehenden Gesellschaftsformationen entwickelt hat und was sie in ihrem Wesen – gemeint ist der Klassenantagonismus, der grundlegende Widerspruch zwischen Kapital und Lohnarbeit – ausmacht.

Der Revolutionsbegriff

Allenfalls das erste Kapitel des Buches widerspricht dem Ansatz einer historischen Wiedergabe der Geschichte der Revolution, da es sich mit dem Begriff der Revolution beschäftigt. Was zunächst wie ein Mangel an innerem Zusammenhang erscheinen mag, ist für das Verständnis der Revolutionsgeschichte(n) jedoch zwingend notwendig, denn indem Landefeld dem Begriffswirrwarr um das Thema Revolution beikommt, wird es dem Einsteiger in diese Thematik erst ermöglicht, die darauf aufbauende Argumentation nachzuvollziehen.

Die Autorin definiert im ersten Kapitel – ausgehend von Marx – was aus dessen Sicht als Revolution bezeichnet werden kann, bleibt dabei allerdings nicht stehen, sondern erläutert ebenso – nunmehr in Anlehnung an Engels, Lenin und Gramsci – wann und wie es zu Revolutionen kommen kann und welche Phasen der Entwicklung sie durchlaufen können. Die Autorin vermeidet dabei ganz bewusst theoretische Über-Komplexität, ohne dabei unterfordernd zu werden. Und selbst wenn ein Leser mit einem speziellen Interesse an der mehr analytischen Behandlung der Thematik mit dem recht kurzen ersten Kapitel sicherlich nicht zufriedenzustellen wäre, ist dies keine Schwäche, sondern vielmehr eine Stärke des Werkes.

Was es noch mehr auszeichnet ist aber, dass es nicht nur ein historisches, sondern auch ein politisches Buch ist. Dies liegt daran, dass die Autorin, indem sie betont, dass Revolutionen durch die ausgebeuteten Volksmassen selbst durchgeführt werden, ihren Lesern ihre eigene (potentielle) Kraft als politische Akteure verdeutlicht. „Revolution“ soll dazu beitragen, die Möglichkeit zur Veränderung der gesellschaftlichen Wirklichkeit deutlich zu machen, indem es illustriert, dass der Kapitalismus weder gottgegeben noch ewig ist, sondern sich selbst historisch entwickelte und von den Massen, zu denen auch die Leser des Buches gehören, überwunden werden kann. Das Mittel hierzu ist, neben den bereits erwähnten theoretischen Darstellungen, realgeschichtlich nachzuweisen, dass die These des Kommunistischen Manifests, wonach „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft (…) die Geschichte von Klassenkämpfen [ist]“, wahr ist.

Von der Urgesellschaft bis zur Kommune

Die Chronologie der Revolutionen beginnt mit der Transformation der Urgesellschaft in die patriarchalische Ausbeutergesellschaft des Neolithikums, die durch den Übergang vom Nomadentum zum Mehrwert erzeugenden Ackerbau, zur Viehzucht und zum Handwerk erfolgte. (…)

Mit dem Ende des vierten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung entwickelten sich dann die ersten Hochkulturen, die auch über eine Schriftsprache und besonders fortgeschrittene urbane Zentren verfügten. Aus dem Neolithikum heraus entstand nunmehr, basierend auf dem sich herausbildenden Großgrundbesitz und dem bäuerlichen und handwerklichen Privateigentum, die Sklavenhaltergesellschaft der griechischen Polis und des römischen Imperiums. Die Antike erlebte gleich zweierlei Klassenkämpfe, nämlich zwischen Sklaven und Freien einerseits, aber auch unter den verschiedenen Klassen der Freien. Dazu stellt Beate Landefeld richtigerweise fest, dass es nicht die Sklaven sein konnten, die die Sklavenhaltergesellschaft im Kampf beseitigten. Vielmehr war es primär ein ökonomischer Grund, der den Untergang einleitete: die Sklaverei rechnete sich im Rahmen des Niedergangs des Großgrundbesitzes schlicht nicht mehr und wurde durch jene halbfreien Bauern ersetzt, die sich im Mittelalter zu Leibeigenen entwickeln sollten.

Die nunmehr entstehende feudale Produktionsweise entstand „als Synthese der sich auflösenden Gentilgesellschaft der Germanen mit der sich auflösenden Sklavenhalterordnung des römischen Reichs“ und basierte auf der durch die Leibeigenen ausgeübten Landwirtschaft. Neben dem Land entstanden jedoch auch die mittelalterlichen Städte, in denen sich Handel und Manufaktur unabhängig von Krone und Kirche entwickeln konnten und die Kaufleute und Manufaktureigentümer hervorbrachten, die ihren Einfluss stetig vermehrten. Auf dem Lande führten Missernten, Hungersnöte und Geldknappheit zu verstärkten Auseinandersetzung zwischen Adel und Bauern, da erstere versuchten, ihren Lebensstand durch höhere Abgaben ihrer Leibeigenen zu sichern, was erstmals in Nordfrankreich im Jahre 1358 zu einem Bauernaufstand führte, welcher allerdings niedergeschlagen wurde.

Im Folgenden verbanden sich die ökonomischen Unteressen der Bauern mit einer Rückbesinnung auf das Urchristentum zu reformatorischen Forderungen und führten zu einem Zyklus frühbürgerlicher Revolutionen im 15. und 16. Jahrhundert. Diese scheiterten aber, da die objektiven Bedingungen für den Untergang des Feudalismus noch nicht gegeben waren. Besonders interessant ist hierbei die Geschichte der englischen Revolution des 17. Jahrhunderts. Hier zeigt Landefeld auf, dass bereits zu dieser Zeit die Vorbedingungen dafür geschaffen wurden, dass England später zum Musterland des Kapitalismus werden sollte. (…)

Das Verlags- und Manufakturwesen verwandelte sich in der industriellen Revolution dann zur maschinellen Produktion. Dies wird von Landefeld ebenso behandelt wie die bürgerlichen Revolutionen dieser Zeit – von der Amerikanischen Revolution bis zum Vormärz, wobei inhaltlich besonderes Gewicht auf die Französische Revolution von 1789 gelegt wird, da diese die Leitrevolution der Epoche war.

Oktoberrevolution als „Leitrevolution“

Etwas unpassend endet dann der dritte Teil des Buchs („Die bürgerlichen Revolutionen“) mit der Pariser Kommune von 1871, in der Marx und Engels die erste Diktatur des Proletariats in der Geschichte der Menschheit sahen. Unpassend, da diese zwar den Zyklus der klassischen bürgerlichen Revolutionen beendete, zugleich jedoch auch die Geburtsstunde der proletarischen Revolutionen war, mit denen sich der vierte Teil des Buches beschäftigt. Andererseits sind auch die im vierten Kapitel behandelten russischen Revolutionen bis zum Februar 1917 und auch die deutsche Novemberrevolution von 1918/19 (zumindest in ihrer ersten Phase) ihrem politischen Inhalt nach bürgerliche Revolutionen, allerdings solche, die nicht von der Bourgeoisie, sondern vom Proletariat und seinen Verbündeten durchgeführt wurden. Die Oktoberrevolution 1917 nahm dabei die Rolle der Leitrevolution für den proletarischen Revolutionszyklus ein und sollte das Startsignal für die weiter entwickelten kapitalistischen Länder sein.

Zunächst wurden jedoch die anderen proletarischen Revolutionen, vor allem die deutsche Revolution, niedergeschlagen, sodass das im Bürger- und Interventionskrieg siegreiche Sowjetrussland isoliert blieb. Erst nach dem Sieg über den Faschismus 1945 wurde diese Isolation durch das Entstehen eines sozialistischen Lagers aufgelöst. Hierunter zählt – zumindest bis zum „Schisma“ zwischen Peking und Moskau – auch die von Landefeld ausführlich behandelte chinesische Revolution, die zur Gründung der Volksrepublik China unter Mao führte und den Klassenkampf der Arbeiter und Bauern mit dem Kampf um die nationale Souveränität gegenüber den japanischen Invasoren verband.

Außer der chinesischen Revolution werden zwei weitere Revolutionen der Nachkriegszeit, nämliche die kubanische und die portugiesische (Nelken-)Revolution vorgestellt. (…)

Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, ob die Revolution eine Zukunft habe und ist damit wiederum – ähnlich dem ersten Teil des Buchs – eine mehr theoretische Abhandlung. Letztlich kommt Beate Landefeld, wie sollte es anders sein, natürlich zu dem Schluss, dass die Revolution eine Zukunft hat, da die Klassenspaltung und damit der Klassenkampf als ihre Grundlagen noch immer existieren. Allerdings macht sie auch klar, dass die Wege zum Sozialismus nicht einheitlich, sondern verschieden, wohl aber langwierig und widersprüchlich sein werden.

Mit „Revolution“ hat Beate Landefeld einen Band vorgelegt, der tatsächlich das benötigte Basiswissen zum Verständnis der realen Geschichte als einer Geschichte von Klassenkämpfen enthält. An manchen Punkten – etwa in der Frage des Leninschen Konzepts vom Hinüberwachsen der bürgerlich-demokratischen Etappe der Revolution in die sozialistische – geht das Büchlein sogar recht weit über das Basiswissen hinaus. Daher kann „Revolution“, auch wenn es ein Buch für Einsteiger ist, auch für Kenner der Thematik interessant sein (…)

Kürzungen, Bearbeitungen, Zwischenüberschriften: UZ

Die Rezension erscheint in den Marxistischen Blättern Nr. 3_2017

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"Revolutionen in der Geschichte", UZ vom 24. März 2017



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