Türkei geht gegen streikende Gewerkschafter und linke Aktivisten vor

Repression mit deutscher Rückendeckung

Als Reaktion auf einen Streik von Textilarbeiterinnen und Textilarbeitern sowie die Zunahme von Protesten der Beschäftigten verschärft die türkische Regierung die Repression gegen Gewerkschaften und linke Parteien. Mitte Februar wurde der Vorsitzende der Textilarbeitergewerkschaft Birtek-Sen, Mehmet Türkmen, festgenommen. Zuvor hatten die Behörden der Provinz Gaziantep, einem wichtigen Industriezentrum im Südosten der Türkei, Kundgebungen der Gewerkschaft verboten und für zwei Wochen alle öffentlichen Versammlungen untersagt. Sie reagierten damit auf einen Streik in mehr als 20 Textilfabriken in der Gemeinde Başpınar. Die Beschäftigten wollten höhere Löhne durchsetzen. Ihre Einkommen liegen bislang deutlich unter der Armutsgrenze, von den durch die Regierung versprochenen Verbesserungen haben sie bislang wenig merken können. Deshalb fordern sie gemeinsam mit ihrer Gewerkschaft eine Lohnerhöhung von 65 Prozent, ein 13. und 14. Monatsgehalt zu Ramadan und zum Islamischen Opferfest sowie die Freigabe beschlagnahmter Zahlungen. „Das ist kein Luxus, das sind fundamentale Arbeiterrechte“, so die Birtek-Sen.

In einer Erklärung beklagt die Gewerkschaft die systematische Verfolgung ihres Vorsitzenden und die eskalierende Unterdrückung der Beschäftigten. Die verfassungsmäßigen Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter, zu protestieren und zu streiken, seien verletzt worden. Unter dem Vorwand des Ausnahmezustands habe das Regime die Arbeiter von den öffentlichen Plätzen verbannt. Trotzdem sei man nicht bereit, den Kampf aufzugeben, und rufe die internationale Arbeiterbewegung zur Solidarität auf: „Gewerkschaften, Arbeiterorganisationen und alle, die für Arbeiterrechte kämpfen, erhebt eure Stimmen gegen Armutslöhne und unterstützt den Streik der Arbeiter in Başpınar!“

090702 tuerkei klein - Repression mit deutscher Rückendeckung - AKP, DIDF, Recep Tayyip Erdogan, Streikverbot, Türkei, türkische Linke, Verfolgung - Internationales
Der inhaftierte Gewerkschaftsführer Mehmet Türkmen

In Deutschland meldete sich zunächst die DIDF mit einem Statement zu Wort: „Als Föderation Demokratischer Arbeitervereine erklären wir, dass wir den gerechten Kampf der Arbeiter unterstützen.“ Staatliche Behörden und Polizei wollten die Interessen der Konzerne mit Gewalt durchsetzen, so DIDF. Sie hinderten die Arbeiter daran, sich an dem Kampf der Gewerkschaft für ein menschenwürdiges Leben zu beteiligen und ihre Rechte einzufordern. „Wir verurteilen die Gewalt gegen die Beschäftigten und die unrechtmäßige Verhaftung des Gewerkschaftsvorsitzenden Mehmet Türkmen. Das Streikrecht darf niemals angegriffen werden“, heißt es in der Erklärung weiter. Die staatliche Unterstützung für dieses Vorgehen müsse sofort enden.

Auch der britische Gewerkschaftsbund TUC erklärte in einer Erklärung, man stehe in deren Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung an der Seite der Birtek-Sen und aller unabhängigen Gewerkschaften in der Türkei. Man fordere die sofortige Freilassung von Mehmet Türkmen und das Ende der staatlichen Verfolgung seiner Gewerkschaft. „Wir fordern die Behörden der Türkei auf, das Verbot friedlicher Demonstrationen aufzuheben und die Rechte aller Arbeiter und ihrer Vertreter vollständig zu respektieren.“

Das Regime von Staatschef Erdogan verschärft jedoch täglich die Repression gegen die fortschrittliche und Arbeiterbewegung. Am 18. Februar wurden bei Razzien in zehn verschiedenen Städten 52 Menschen verhaftet, unter ihnen Politiker, Künstler und Journalisten, die unter anderem der Partei der Arbeit (EMEP) oder der prokurdischen DEM-Partei (ehemals HDP) nahestehen sollen. Zu den Festgenommenen gehörten die Vorsitzende der EMEP Istanbul, Sema Barbaros, Mehmet Saltoğlu von der Geschäftsführung der DEM-Partei, die Anwältin Yıldız İmrek, die Journalisten Yıldız Tar, Elif Akgül, Ender İmrek und Ercüment Akdeniz, die Musikerin Pınar Aydınlar, der Maler Taner Güven und die Drehbuchautorin Ayşe Bengi. Insgesamt seien 60 Haftbefehle erlassen worden, teilte die Staatsanwaltschaft Istanbul mit.

Das angestrebte Verfahren richtet sich demnach gegen den „Demokratischen Kongress der Völker“ (HDK), einen Dachverband hunderter politischer Gruppen, Parteien und Einzelpersonen, die eine Organisierung der Bevölkerung in Räten und Basisversammlungen anstreben. In den Augen des Regimes in Ankara handelt es sich dabei aber um nichts anderes als eine Vorfeldorganisation der illegalisierten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Ein inzwischen rechtskräftiges Urteil der 20. Großen Strafkammer in Izmir, die feststellte, dass der HDK eine völlig legale Organisation sei und eine Betätigung für den Kongress kein Beweis für die Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ sein könne, wird vom türkischen Staat ignoriert.

Vor diesem Hintergrund nimmt die DIDF auch die deutsche Bundesregierung in die Verantwortung: „Seit Jahren baut sie ihre wirtschaftliche, politische und militärische Unterstützung für die AKP-Regierung aus. Erst vor wenigen Monaten wurden Erdogan durch Bundeskanzler Olaf Scholz neue Rüstungsgüter versprochen, solange der türkische Präsident die Geflüchteten aus Europa raushalte.“ Wohl wissend, wie die türkische Regierung mit Andersdenkenden umgehe, halte die Bundesregierung an dieser Unterstützung fest. Die Bundesregierung müsse ihre Unterstützung für die AKP-Regierung sofort beenden.

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"Repression mit deutscher Rückendeckung", UZ vom 28. Februar 2025



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