Zuzahlungen ab 1 000 Euro bis zu 20 000 Euro pro Jahr sind jederzeit möglich“, heißt es in der Werbeanzeige einer privaten Rentenversicherung. Folgen nur wenige Menschen solchen Aufforderungen über mehrere Jahre, kommen schnell Milliardenbeträge zusammen. Die Kassen der privaten Versicherer füllen sich.
Und genau darum geht es, wenn pünktlich zur ersten Sitzung der Rentenkommission die Versicherungswirtschaft die Rente mit 69 fordert. Der weitere Raubzug auf die Taschen der arbeitenden Menschen wird vorbereitet. Die Große Koalition will das eh niedrige Rentenniveau, also das Verhältnis der Rente zum Durchschnittseinkommen, bis zum Jahr 2025 bei 48 Prozent belassen. Im gleichen Zeitraum sollen die Rentenbeiträge nicht über 20 Prozent steigen. Das von der Versicherungswirtschaft beauftragte Forschungsinstitut Prognos kommt zu dem für seine Auftraggeber gewünschten Schluss, dass dies angeblich angesichts des demografischen Wandels auf Dauer nicht finanzierbar sei. Die Prognos-Studie empfiehlt vor allem, weiter beim Renteneintrittsalter anzusetzen, das schon nach derzeitiger Gesetzeslage bis 2030 schrittweise auf 67 Jahre steigt.
Mit einer weiteren Erhöhung könne die Finanzierungsbasis der gesetzlichen Rente gestärkt und der Bundeshaushalt entlastet werden. Wie fürsorglich! Eine Erhöhung auf 68 oder 69 Jahre ab 2030 beziehungsweise 2040 dürfe angesichts einer steigenden Lebenserwartung nicht tabu sein, so Peter Schwark, Mitglied der Geschäftsführung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft.
Riester-Profite reichen nicht
„Das Kalkül ist klar: Die Assekuranz will private Policen verkaufen und schildert den Zustand der Rentenversicherung in düsteren Farben. Das verunsichert die Menschen“, so die „Stuttgarter Zeitung“. Schon jetzt ist es so, dass die drastische Senkung des gesetzlichen Rentenniveaus durch zunehmende Privatvorsorge kompensiert werden soll, um den Lebensstandard zu sichern. 4 Prozent des Bruttoeinkommens fließen per Riesterrente und Ähnlichem den Versicherungskonzernen in die Taschen. „Schon heute schaffen es nur wenige bis zur regulären Rente“, erklärt Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied und Mitglied der Rentenkommission. „Je größer der Abstand zwischen realem Renteneintritt und gesetzlichem Renteneintrittsalter, desto höher sind die Abschläge und umso niedriger fällt die Rente aus.“
Was heißt das? Würde das gesetzliche Renteneintrittsalter weiter erhöht werden, würden noch größere Summen in private Rentenpakete strömen. Noch mehr Menschen würden aus Angst vor drohender Altersarmut schon in jungen Jahren einen privaten Rentenversicherungsvertrag abschließen oder ihn zur Geburt geschenkt bekommen. Nachdem die Riesterrente nicht mehr die gewünschten Profite bringt, sollen nun zusätzliche Versicherungsbereiche der Privatwirtschaft geöffnet werden. Sie lechzt nach weiteren privaten kapitalgedeckten Renteversicherungspaketen und wünscht sich eine Delegitimierung und damit Schwächung der gesetzlichen Umlagerentenversicherung.
Nach Berechnungen der Bundesregierung wäre ein Rentenniveau von 53 Prozent im Jahr 2030 mit einem Beitragssatz von 25,7 Prozent finanziert. Die Beschäftigten müssten dann zwar 12,85 Prozent bezahlen; das wäre aber wegen der wegfallenden vier Prozent für die Beiträge zur Riesterrente immer noch deutlich günstiger als die heutigen Beiträge, die Beschäftigte für eine Lebensstandard sichernde Alterssicherung aufbringen müssen.
Auch der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA, Steffen Kampeter, mischt sich ein und fordert, die Steuer- und Abgabenlast dürfe durch die Reformvorschläge der Kommission keinesfalls steigen, „wenn wir im internationalen Wettbewerb weiter bestehen wollen“. Das Rentenalter dürfe in der Rentenkommission kein Tabu sein. Die Beiträge zur Sozialversicherung dürften auch langfristig 40 Prozent nicht übersteigen. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, spricht sich für eine längere Lebensarbeitszeit aus: „Wir brauchen mehr Anreize, damit möglichst viele Menschen länger in einer Beschäftigung bleiben.“
Auch die Interessenlage der Unternehmer ist klar. Dürfen die Beschäftigten erst später in Rente gehen, gibt es weniger Rentnerinnen und Rentner, wird in der Kasse der Rentenversicherung weniger Geld gebraucht, und das Beitragniveau der Unternehmer bleibt bei 9,3 Prozent. Zusätzlich würde es vermutlich zu höherer Arbeitslosigkeit kommen, weil den Älteren entweder gar kein Arbeitsplatz mehr zur Verfügung gestellt würde oder sie ihn nicht mehr ausfüllen könnten. Damit stiege auch der Druck auf die gewerkschaftliche Lohnpolitik.
Ausgaben konstant
Die Hysterie ist also gewollt. Wohltuend da der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, der der Rentenkommission schrieb: „Um die Lebensstandardsicherung in der gesetzlichen Rente wiederherzustellen, ist nach der beabsichtigten Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent eine stufenweise Anhebung auf die früheren 53 Prozent netto vor Steuern nötig.“
Das ist finanziell möglich. Der Anteil der Rentenausgaben, so sehr diese in absoluten Zahlen auch gestiegen sind, ist nämlich gemessen an der Wirtschaftskraft seit Beginn der 90er Jahre nahezu konstant geblieben, räumt das Bundessozialministerium ein. 1992 waren es 10,1 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, 2017 kaum mehr, nämlich 11 Prozent. Deshalb mag es zwar so sein, dass heute drei Erwerbstätige einen Rentner versorgen und im Jahr 2040 nur noch zwei Erwerbstätige denselben Betrag aufbringen müssen. Wenn diese beiden dann aber in gleicher Zeit mehr produzieren als drei Erwerbstätige früher, können Einkommen und Rente steigen.
ver.di-Chef Bsirske fordert eine deutliche Erhöhung des Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung. Es sei makaber, dass einerseits über eine Beinahe-Verdoppelung des Rüstungsetats diskutiert werde, während für Rentnerinnen und Rentner angeblich kein Geld da sei. „Kanonen statt auskömmlicher Rente“ könne nicht im Ernst Maßgabe für das Regierungshandeln sein.