Die US-Amerikaner mögen Donald Trump. Zumindest ein relevanter Teil von ihnen, wenn man den Umfragen glauben will. Aber Analoges könnte man von Angela Merkel behaupten oder von Marine Le Pen.
Diese Umfragen bescheinigen Trump mehr als 17 Prozentpunkte Vorsprung vor seinen Verfolgern, die sich ebenfalls um die republikanische Kandidatur für die Präsidentenwahlen im November 2016 bewerben. So wie es aussieht, darf man sich auf einen US-Präsidenten Donald Trump gefasst machen. Und das eigentliche Problem dabei ist, dass das angesichts der realen Hardcore-Alternativen – Hillary Clinton inclusive – wohl noch nicht einmal die schlechteste Wahl wäre.
Natürlich ist das medienpolitische Product-Placement, der gezielte Aufmerksamkeitsklamauk der Kandidaten in den „Presidential Primaries“, nur sehr begrenzt für bare Münze zu nehmen. Barack Obama hatte in seiner „Yes, we can“-Wahlkampagne 2007 auch so manches versprochen: Die Schließung von Guantánamo. Die Beendigung des Kriegseinsatzes in Irak, die Abschaffung der Steuerprivilegien für die Reichen, das Ende des Marsches in den Schuldenstaat zum Beispiel. Das alles ist nicht besser, sondern mit Obama eher schlechter geworden. Selbst Obamacare, die zentrale Erfolgsstory des Präsidenten, hat gerade 8 Millionen der unversicherten US-Bürgern einen Versicherungsschutz gebracht. 36 Millionen sind weiterhin unversichert. Dafür haben die – privaten – Versicherungsunternehmen einige Millionen (staatlich subventionierte) neue Kunden.
Donald Trump weiß es wie kein Zweiter: Bekanntheit ist alles. Sekundär, ob positiv oder negativ. Trump ist ein Meister der Eigenwerbung und des Branding (Aufbau einer Unternehmensmarke). Seine gezielten Verstöße gegen die Political Correctness (PC) haben Trump zu einer ungeahnten und ungeahnt preiswerten Popularität verholfen, von der seine Mitbewerber nur träumen können. Trump sagt über Einwanderer Sätze wie: „Sie bringen Drogen, sie bringen Kriminalität, sie sind Vergewaltiger, und einige, nehme ich an, sind auch nette Leute.“ Das sind kaum zu toppende PR-Knaller. Fast alle Medien haben dieses Spiel mitgespielt. Ob es gegen Frauen oder Muslime ging, Trump hatte mit seinen, sagen wir, hemdsärmligen Sprüchen eine enorme Medienpräsenz. „Bloomberg Politics“ sprach von einem „Summer of Trump“. Das dürfte kaum übertrieben sein.
Der Kapitalismus erschafft seine politische Klasse und im Zweifel die Alternative zu ihr gleich mit. Die große Krise hat die US-amerikanische Mittelschicht hart getroffen. Millionen haben ihre Häuser, ihre Vermögen, ihre gutbezahlten Jobs verloren. Nach dem Desaster der Bush-Jahre hatten viele ihre Hoffnung in Obamas „Change“ gesetzt. Wiederum vergeblich. Das Krisenmanagement zugunsten der Reichen und der Banken hat die ohnehin ausgeprägte Anti-Establishment-Stimmung massiv verstärkt. Ähnlich wie in zahlreichen europäischen Staaten boomen die rechtspopulistischen Parolen.
Der Polit-„Amateur“ Donald Trump bedient durch seine gepflegte Distanz zu den Washingtoner Machtzirkeln diesen Wunsch nach einer (natürlich kapitalistischen) „Alternative“. Trump gibt sich, wie schon Nixon, als Anwalt der „schweigenden Mehrheit“, der an den PC-Sprechverboten des an seinen eigenen Versprechungen gescheiterten professionelle Politzirkus rüttelt. Als Typ, der sagt, was Sache ist, dessen hemdsärmlige Sprache die milliardenschwere Distanz zu seinen Fans zu überbrücken versteht.
„Wahlprogramme sind keine Regierungsprogramme“, wusste schon die FAZ fein zu unterscheiden. Zwar hatte Trump, wie immer auf die Schlagzeilen schielend, angekündigt, er werde „den IS in die Hölle bomben“. Ob die US-Außenpolitik aber unter einem Präsidenten Trump aggressiver sein würde als unter einer Präsidentin Clinton, darf durchaus bezweifelt werden. Die stärkere Neigung der US-Demokraten zum Pazifismus ist ein ebenso geliebter Mythos wie die weiblich einfühlsameren Handlungsweisen von Frauen in Verantwortungspositionen. Aber eben ein Mythos.
Trump hat zumindest die Rhetorik gegenüber Russland nicht verschärft. Im Gegenteil: Er würde mit Präsident Putin bestens auskommen. Natürlich auch eine PR-Nummer. Insgesamt fährt Trump aber eine Rhetorik des Disengagements, des stärkeren Raushaltens aus den internationalen Konflikten und einer Konzentration auf die inneren US-Probleme. Man darf aber davon ausgehen, dass die geostrategischen Konstanten der US-Außenpolitik von der jeweiligen Präsidentschaft allenfalls modifiziert, in ihrem Wesensgehalt aber nicht signifikant verändert werden können.
Immerhin ist Trump für eine aktive US-Industriepolitik und nicht gerade ein Anhänger des Free-Trade. Er möchte den US-Binnenmarkt durch eine Senkung bis Wegfall der Einkommensteuer auf die unteren Einkommen stärken und Auslandsinvestitionen massiv besteuern. Unter Reagans „Make America Great Again!“, das er sich als Handelsmarke hat eintragen lassen, verfolgt Trump das wohl am wenigsten mainstream- und austeritätskonforme „Wirtschaftsprogramm“ der Republikaner. Und wohl auch der Demokraten. Das verweist auf seine binnenmarktabhängigen Unterstützer. Und es dürfte wohl dieses scheinbar aus der Zeit gefallene, nachfrageorientiert expansive „Programm“ sein, das Trump seine schlechte Presse einbringt – und vielleicht das Weiße Haus.