Eine neue Dauerausstellung? Mir hat die alte schon gereicht.

Reizfiguren im Marx-Haus

Von Melina Deymann

Plakette am Geburtshaus von Karl Marx in Trier

Plakette am Geburtshaus von Karl Marx in Trier

( Thomas Brenner)

Für den 4. Mai hat das Karl-Marx-Haus in Trier die pompöse Eröffnung einer rundumerneuerten Dauerausstellung angekündigt. „Wurde auch Zeit!“, werden jene sagen, die sich die alte Ausstellung etwas genauer angeschaut haben.

So schlecht fing es eigentlich nicht an. Im ersten Raum der alten Ausstellung zeigte eine Installation verschiedene Zitate über Marx und den Marxismus. Ich hatte Glück, als ich im Raum war stand dort: „Die Lehre von Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist. Lenin“. So weit, so richtig. Viel Richtiges kam danach nicht mehr – denn es ist die Friedrich-Ebert-Stiftung, die diese Ausstellung verantwortet. Die SPD konnte sich 1928 gegen die KPD durchsetzen und durfte Marx‘ Geburtshaus kaufen.

So zeigte die Ausstellung mit ein paar Kästen und Pfeilen, wie wenig die Ausstellungsmacher vom Begriff der Entfremdung bei Marx verstanden haben, wie man das marxistische Verständnis der fortschreitenden Gesellschaftsformationen zu schematischem Unsinn zurechtbiegen kann und wie man das Ganze mit ein paar biographischen Anekdoten dekorieren kann. Ein paar schöne Faksimiles von Texten aus Marx’ Feder hingen da, natürlich ohne getipptes Dokument daneben. Sonst könnte noch jemand lesen was Marx geschrieben hat und müsste sich nicht auf die Interpretation der Friedrich-Ebert-Stiftung verlassen. Und nicht auf die von Willy Brandt.

Denn Willy Brandt ist die große Autorität, die die Ausstellung zur Bewertung von Marx und der Welt vorstellt. Am Eingang grüßt (von mir bei meinem Besuch gnädig übersehen) zuerst ein Brandt-Zitat. Ab dem Punkt, wo es um Marx’ Einfluss auf das Weltgeschehen geht (die Ausstellung nennt das die falsche Interpretation Marx‘ durch die kommunistischen Staaten), geht es richtig los. Man könnte fast meinen, man wäre im Willy-Brandt-Haus. Dass sich bei der Aufzählung der Macher der Ausstellung kein wissenschaftlicher Beirat finden lässt, verwundert nach dem Besuch nur ein kleines bisschen, anscheinend wollte sich niemand als Alibi zur Verfügung stellen.

Nun, diese Ausstellung ist passé, ab Samstag wird es eine neue geben, die Friedrich-Ebert-Stiftung hat eine Chance es besser zu machen.Medial wirksam stellte die Leitung des Karl-Marx-Hauses bereits das neue Prunkstück der Ausstellung vor: den Lieblingssessel von Karl Marx, in dem er gerne las und in dem er vermutlich auch gestorben ist, den sie der Familie Longuet-Marx abgekauft haben.

Worauf wir uns in der neuen Ausstellung freuen dürfen macht ein kleiner Ausflug auf die Internetseite der Friedrich-Ebert-Stiftung klar: „Durch die Instrumentalisierung seines Denkens und seiner Person durch sozialistische und kommunistische Regime weltweit wurde Karl Marx zu einer politischen Reizfigur.“ Genau, Marx wurde erst durch die sozialistischen Staaten zu einer „politischen Reizfigur“, seine Schriften und sein Wirken haben dabei keine Rolle gespielt. Die Friedrich-Ebert-Stiftung weiß noch mehr: „Die neue Dauerausstellung im Trierer Museum Karl-Marx-Haus zeigt Karl Marx als von den Umbrüchen des 19. Jahrhunderts geprägten Menschen, als Analytiker und Kritiker der kapitalistischen Gesellschaftsordnung sowie als Vordenker der Sozialdemokratie in Deutschland, Europa und der Welt.“ Vermutlich meinen sie damit auch noch die „moderne Sozialdemokratie“ und Marx darf herhalten als Vordenker von Kriegskrediten, Notstandsgesetzen und Agenda 2010. Man darf gespannt sein, was die sozialdemokratischen Marxologen sich haben einfallen lassen. Freuen darf man sich mit ziemlicher Sicherheit nicht.

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"Reizfiguren im Marx-Haus", UZ vom 4. Mai 2018



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