Reicht nicht

Werner Sarbok im Gespräch mit Axel Hopfmann

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Axel Hopfmann ist Pressesprecher des „Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“.

Das Bundeskabinett hat am vergangenen Mittwoch den Entwurf des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG) beschlossen. Dazu gehört auch das „Sofortprogramm Pflege“. Darüber sprachen wir mit Axel Hopfmann.

UZ: Ab 2020 soll nach dem Gesetzentwurf für jedes Krankenhaus das Verhältnis zwischen der Zahl der Pflegekräfte und dem anfallenden Pflegeaufwand errechnet werden. Wird von einem Krankenhaus eine bestimmte Personalgrenze unterschritten, soll es Honorarkürzungen geben. Haben sich damit die Forderungen des „Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“ erfüllt?

Axel Hopfmann: Das ist alter Wein in neuen Schläuchen. Es sollen die 25 Prozent Krankenhäuser mit der schlechtesten Personalausstattung etwas mehr einstellen. Dahinter verbirgt sich der „Perzentil“-Ansatz, der schon die gescheiterten Verhandlungen zwischen Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem Spitzenverband der Krankenversicherungen (GKV-SV) bestimmt hatte.

Wie viel zusätzliches Personal es geben soll, richtet sich allerdings nicht nach dem Bedarf. Die Volksinitiativen in Bayern, Berlin und Hamburg schlagen gerade ein Instrument vor, mit dem das erforderliche Personal ermittelt werden kann. Das aber scheut der Bundesgesundheitsminister wie der Teufel das Weihwasser.

Stattdessen wird als Berechnungsgrundlage das genommen, was die Krankenhäuser für Personal in den Fallpauschalen bekommen. Aber sie werden nicht einmal dazu verpflichtet, das Geld auch tatsächlich für Personal auszugeben. Sie dürfen nur nicht all zu viel für sich behalten.

UZ: Die Finanzierung der Pflegepersonalkosten der Krankenhäuser wird ab dem Jahr 2020 auf eine neue, von den Fallpauschalen unabhängige, Krankenhaus-individuelle Vergütung umgestellt. Wird damit eurer Kritik und der Kritik der Gewerkschaften und Beschäftigten an diesem Abrechnungssystem Rechnung getragen?

Axel Hopfmann: Das ist an dem Gesetzentwurf die gute Seite: Die Pflegepersonalkosten werden finanziert. Damit geht unseren politischen Gegnern ein entscheidendes Argument verloren, das der Kosten. Wir wären natürlich erst dann richtig glücklich, wenn das nicht nur für Pflegepersonal, sondern auch für Reinigungskräfte, Desinfektorinnen, Hebammen usw. gelten würde. Aber es ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Ohne den politischen Druck der Bündnisse für mehr Personal im Krankenhaus und den Arbeitskampf der Krankenhausbeschäftigten wäre es dazu sicher nicht gekommen.

UZ: Mit Gesetz sollen ab dem kommenden Jahr „spürbare Entlastungen im Alltag der Pflegekräfte durch eine bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege erreicht werden, um die Pflege und Betreuung der Patientinnen und Patienten sowie der Pflegebedürftigen weiter zu verbessern.“ So steht es im Kabinettsentwurf. Was ist Ihre Erwartung?

Axel Hopfmann: Wir glauben, dass dieses Gesetz an der Personalmisere gar nichts ändern wird, weil es sich gerade nicht am Bedarf orientiert, sondern nur am Durchschnitt des Vorhandenen. Für die Krankenhäuser mit einer überdurchschnittlichen Personalausstattung wird sogar der Anreiz gesetzt, Personal abzubauen, bis sie gerade oberhalb der markierten Linie, d. h. den 25 Prozent schlimmsten Krankenhäusern, landen. Mit der moderaten Anhebung gleicht sich das vielleicht mal eben aus, so dass unterm Strich eine Null rauskommt. Dafür der ganze Aufwand? Es kann sich eigentlich nur um eine Nebelkerze handeln, um die Bündnisse für mehr Krankenhauspersonal zu irritieren. Jens Spahn scheint nach dem Motto zu handeln: Es muss sich etwas ändern, damit alles so bleiben kann, wie es ist.

UZ: Die Fraktionsvorsitzenden im Hamburger Senat und die gesundheitspolitischen Sprecherinnen von SPD und Grünen haben das „Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“ zu Gesprächen eingeladen. Welche Erwartungen verbindet ihr mit dieser Einladung?

Axel Hopfmann: Gegenüber der Atmosphäre bei der offiziellen Anhörung im Gesundheitsausschuss der Hamburger Bürgerschaft ist das ein weiterer Fortschritt. Im Gesundheitsausschuss schlug uns noch kompromisslose Ablehnung von Rot-Grün entgegen. Die geplanten Gespräche sollen dazu dienen, mögliche Annäherungen auszuloten. Das klingt schon mal ganz anders. Wir werden gut vorbereitet in diese Gespräche gehen und sie offen führen. Was allerdings schwer mit dem Gesprächsangebot zu vereinbaren ist, ist die ständige Drohung mit dem Verfassungsgericht. Der rot-grüne Senat behauptet zwar immer, dass er da gar nicht anders könne, aber das ist scheinheilig. Auch wir haben unseren Gesetzentwurf vorher juristisch prüfen lassen, mit dem Ergebnis, dass er durchaus verfassungskonform ist.

Wenn während der Gespräche eine Klage gegen uns eingereicht wird, ist das im Grunde so etwas wie ein Abbruch der Verhandlungen.

Inhaltlich gibt es für uns natürlich auch eine „rote Linie“: Personaluntergrenzen unabhängig von einer Bedarfsermittlung wird es mit uns nicht geben. Dabei muss es um den tatsächlichen Bedarf der Patientinnen gehen und nicht bloß darum, Schäden zu begrenzen.

UZ: Wie macht das Hamburger Bündnis nun weiter in der Auseinandersetzung für mehr Krankenhauspersonal?

Axel Hopfmann: Das hängt weitgehend vom rot-grünen Senat und den ihn tragenden Teilen der Hamburger Bürgerschaft ab. Sie könnten unseren Gesetzentwurf sofort beschließen. Wir sind aber auch gespannt darauf, welche Kompromisse uns angeboten werden. Wenn wir die im Interesse von Personal und Patientinnen für vertretbar halten, können wir uns einigen und die Bürgerschaft kann ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Daran würden wir gegebenenfalls dann konstruktiv mitarbeiten.

Wenn aber Senat und Bürgerschaft kein akzeptables Angebot machen, dann werden wir die nächste Phase einleiten, das Volksbegehren und schließlich die Volksabstimmung. Unser Zeitplan ist so, dass die dann zur Bürgerschaftswahl 2020 stattfinden würde, falls ein Verfahren vor dem Verfassungsgericht das nicht verzögert. Aber wie es auch kommt: Das Thema wird im Wahlkampf eine Rolle spielen. Und wenn der Senat sich kompromisslos zeigt und auf juristischem Weg versucht, die Volksabstimmung zu verhindern, wird er in dem Wahlkampf keine gute Figur machen.

UZ: Was würdet ihr unseren Lesern noch mit auf den Weg geben?

Axel Hopfmann: Wir sind Teil einer bundesweiten Bewegung. Unterstützt die. Bildet Bündnisse überall oder arbeitet darin mit, wo es sie gibt. Initiiert Volksgesetzgebungen in der ganzen Republik, damit niemand mehr behaupten kann, dass es nur um „Insellösungen“ gehe. Unterstützt die Streiks für entsprechende Tarifverträge oder führt sie selber, wo ihr könnt.

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"Reicht nicht", UZ vom 10. August 2018



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