Reicht es noch?

Markus Bernhardt im Gespräch mit Johanna Scheringer-Wright

Am 27. Oktober finden in Thüringen Landtagswahlen statt. Nach den Niederlagen in Brandenburg und Sachsen sieht es nicht rosig für die Partei „Die Linke“ aus. UZ sprach mit Johanna Scheringer-Wright. Sie sitzt seit 2012 für die Linkspartei im thüringischen Landtag und ist agrarpolitische Sprecherin der Fraktion.

UZ: Sie kandidieren bei der thüringischen Landtagswahl am 27. Oktober als Direktkanddatin für den Landtag. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Johanna Scheringer-Wright

Johanna Scheringer-Wright

Johanna Scheringer-Wright: Der Wahlkreis 16, Sömmerda I Gotha III, ist ein sehr ländlich geprägter Wahlkreis mit etwa 52 Dörfern und Weilern. Viele Menschen in diesem Wahlkreis sind im wahrsten Sinne des Wortes abgehängt, etwa bei der öffentlichen Verkehrsanbindung mit Bus und Bahn. Die CDU hat diesen Wahlkreis immer gewonnen, doch nun sind nach Prognosen die Chancen für die AfD sehr groß. SPD und Bündnis 90/Die Grünen spielen kaum eine Rolle. Als linke Direktkandidatin stelle ich mich dem Rechtsruck entgegen. Mein Slogan lautet: „Erststimme gegen rechts: sozial und ökologisch“. Wie das Ergebnis dann wird in Konfrontation mit CDU und AfD, werden wir sehen, wichtig ist, eine echte Alternative anzubieten.

UZ: Sie sitzen bereits seit 2012 im Landtag. Was haben Sie in dieser Zeit politisch erreichen können?

Johanna Scheringer-Wright: Im Landtag habe ich mich schwerpunktmäßig um die Entwicklung in den ländlichen Räumen und um Agrarpolitik gekümmert. Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge oder eine zukunftsfähige, umweltfreundliche Agrarpolitik waren mir Herzensthemen. Die Wiedereinführung des Privatisierungsverbotes für kommunalen Wald zur Haushaltssanierung oder die Anpassung des Agrarinvestitionsprogramms für eine sozial-ökologische Tierhaltung sind zwei Beispiele, die nach harten Kämpfen und auch gegen den Widerstand der SPD durchgesetzt wurden. Bei der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ist Rot-Rot-Grün in Thüringen die CSU/Freie Wähler-Regierung in Bayern zuvorgekommen, danach, mit Bayern als Vorbild, hat es endlich auch bei uns geklappt, die SPD und Bündnis 90/Die Grünen umzustimmen. In der letzten Landtagssitzung haben wir die Abschaffung rückwirkend zum 1. Januar 2019 verabschiedet.

UZ: Warum hat Ihre Partei Sie dann nicht wieder aufgestellt?

Johanna Scheringer-Wright: Weil ich zu kommunistisch und zu ökologisch bin!? Nein, im Ernst, im Gespräch mit Landes- und Fraktionsvorsitzender und dem Landeswahlkampfleiter sowie Stellvertretenden Landesvorsitzenden wurde mir mitgeteilt, dass ich zwar fachlich, also in Landwirtschaftspolitik, super wäre, mich aber nicht genug einfügen würde. Also einfügen in was, fragte ich da? Natürlich füge ich mich nicht widerspruchslos ein, wenn unter Rot-Rot-Grün Kommunisten, zum Beispiel von der DKP, der „Roten Hilfe“ und sogar von der Landesarbeitsgemeinschaft „Kommunistische Plattform“ der Partei „Die Linke“, weiter vom Thüringer Verfassungsschutz überwacht werden. Oder dass Thüringen ein gemeinsames Überwachungszentrum mit vier anderen ostdeutschen Bundesländern einrichtet, darunter mit Sachsen, wo wir wissen, dass rechte beziehungsweise rechtsextreme Kräfte tief in den Staat eingedrungen sind. Da kann ich mich nicht einfach einfügen und dem zustimmen, nur weil alle anderen das so machen.

UZ: Also folgt die Partei in übergroßer Mehrheit dem Regierungskurs und legt auf konsequente linke Politik keinen Wert?

Johanna Scheringer-Wright: Das kann und muss man leider aufgrund vieler Beispiele so sagen.

UZ: Droht Ihrer Partei dann nicht ein ähnlicher Absturz wie kürzlich in Brandenburg und Sachsen?

Johanna Scheringer-Wright: Die letzte Wahlumfrage vom 16. September sieht die Partei „Die Linke“ bei 28 Prozent. Damit würde „Die Linke“ an die Ergebnisse, die wir 2009 und 2014 erreicht haben, wieder anknüpfen. Die schlechten Wahlergebnisse bei der Bundestagswahl (16,9 Prozent), bei der EU-Wahl dieses Jahres von 13,8 Prozent und der Kommunalwahlen (Kreis-, Stadt- und Gemeinderatswahlen) mit 14 Prozent erwecken jedoch den Eindruck, dass das letzte Umfrageergebnis eher zu hoch angesiedelt ist. Berücksichtigen muss man in der letzten Umfrage, dass die SPD noch einmal auf jetzt 7 Prozent abgesackt ist, die CDU auf 22 Prozent, und „Bündnis 90/Die Grünen“ nicht über 8 Prozent hinauskommen. Das würde bedeuten, dass es Wählerwanderungen von der CDU und von der SPD zur Partei „Die Linke“ gibt. Gleichzeitig wird die AfD bei 25 Prozent gehandelt, also zieht auch sie Stimmen von der CDU.

Damit wäre ein Absturz für die Partei „Die Linke“ wie in Sachsen oder Brandenburg nicht gegeben. Sicher haben die Beschlüsse der letzten Landtagssitzung, nämlich die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und die Einführung eines zweiten beitragsfreien Kindergartenjahres zu diesem positiven Umfrageergebnis beigetragen. Und sicher haben auch die Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg aufgerüttelt.

UZ: Aber hat sich Thüringen unter Ministerpräsidenten Bodo Ramelow nicht zum Positiven verändert?

Johanna Scheringer-Wright: Thüringen hat sich, wie auch andere Länder in der Bundesrepublik, weiterentwickelt. Die Konjunktur war gut. Thüringens Exporte sind gestiegen. Trotzdem ist Thüringen immer noch Niedriglohnland. In dieser Regierungszeit wurden eine Milliarde Schulden getilgt, obwohl der Investitionsbedarf immer noch die Investitionen, die getätigt wurden, übersteigt. Es wurden auch mehr Lehrkräfte eingestellt, das ist positiv, doch es kommt immer noch zu Unterrichtsausfall, weil insgesamt immer noch Lehrkräfte fehlen. Innerhalb der Grenzen des bestehenden Systems hat sich Thüringen also durchaus positiv entwickelt, das Abendland ist nicht untergegangen mit einem linken Ministerpräsidenten, wie von manchen CDU-Granden vorausgesagt.

UZ: Einige Politiker ihrer Partei sehen die Partei „Die Linke“ in einer existenziellen Krise. Teilen Sie diese Diagnose?

Johanna Scheringer-Wright: Ich teile diese Diagnose, weil sich die Partei „Die Linke“ zu großen Teilen immer mehr zu einer sozialdemokratischen Partei entwickelt, deren höchstes Ziel Mitregieren ist, um den Kapitalismus mit Reformen zu verbessern, anstatt ihn mit Veränderungen zu überwinden. Auf Bewegungen, die entstehen, wie zum Beispiel die Klimaschutzbewegung, wird erst dann aufgesprungen, wenn sie mehrheitsfähig werden. Eigene Angebote mit linkem Profil werden wenig gemacht. Innerparteilich wurden und werden solche Angebote auch von der Mehrheit des Parteivorstands meist abgeblockt. Darunter leidet die die innerparteiliche Demokratie und auch das wirkt sich stark aus.

UZ: Welche Veränderungen wären notwendig?

Johanna Scheringer-Wright: Das linke, antikapitalistische Profil der Partei muss geschärft werden und damit aufgehört werden, dass eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene mit SPD und Grünen ein richtungsweisendes Ziel wäre. Wir müssen uns darauf besinnen, dass wir in Opposition zu den bestehenden Verhältnissen stehen. Es braucht eine grundlegende Analyse und Strategiedebatte und auch personelle Veränderungen innerhalb der Partei, um diese Ansprüche zu realisieren. Ob das gelingt, wird sich zeigen.

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"Reicht es noch?", UZ vom 20. September 2019



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