Die Europäische Kommission machte am 17. Juni 2020 ihre Impfstoffstrategie bekannt. Mit dem Ziel, die Entwicklung und die Herstellung neuer Impfstoffe gegen Covid-19 voranzutreiben, wurden in der Folge zahlreiche nach außen geheim gehaltene Gespräche mit den potentiellen Lieferanten Pfizer/BioNTech, dem britisch-schwedischen Unternehmen AstraZeneca und dem US-Pharmagiganten Moderna geführt, die anschließend in Verträge mündeten.
Allein die Anschubfinanzierung durch die EU spülte 2,7 Milliarden Euro in die Kassen der Pharmafirmen. Für ein Volumen eines zweistelligen Milliardenbetrags – das „Handelsblatt“ spricht von 35 Milliarden Euro – kaufte die EU Impfstoffe an. Über die konkreten Liefermengen, die Preise, die Fördermittel für Forschung, Entwicklung und Transport, die Namen der von der EU eingesetzten Lenkungsgruppe und Entschädigungsklauseln wurde der Mantel strengster Geheimhaltung gelegt.
Seit mehr als neun Monaten versuchen EU-Parlamentarier vergeblich, die Offenlegung der Verträge zu erreichen. Was sie bisher bekamen, war die Einsicht in Papiere, die über mehrere Seiten genau an den Stellen geschwärzt waren, wo sich die erhofften Informationen befanden. Die von fünf Abgeordneten der grünen EU-Fraktion am 22. Oktober eingereichte Klage auf Offenlegung der Impfstoffverträge könnte sich allerdings bereits seit dem 3. November erledigt haben. Der italienische Sender „RAI“ publizierte an diesem Tag eine ungeschwärzte Version des Pfizer/BioNTech-Vertrags. Unter anderem weiß man jetzt, dass die Lieferung von unverbrauchten Impfdosen an ärmere Länder durch EU-Mitglieder deshalb scheiterte, weil der Pharmagigant dies zuvor hätte genehmigen müssen.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die sich beharrlich gegen die Offenlegung gewehrt hatte, verwies im Deutschlandfunk auf die Geheimhaltungsvereinbarung mit den Herstellern. Veröffentlicht dürfe nur das werden, was von diesen genehmigt werde. Im übrigen seien die Verträge „glasklar“. Wie „glasklar“ es in der Pharma-Branche zum Zwecke der Profitmaximierung zugeht, hat in der vergangenen Woche eine frühere Mitarbeiterin bei BioNTech/Pfizer, Brook Jackson, dem „British Medical Journal“ erklärt. Für kleines Geld angeheuerte „Impfspezialisten“, die zum Wohle des Unternehmens schon mal Versuchsdaten fälschen, Nebenwirkungen des Impfstoffs ununtersucht lassen und Strukturdaten „anpassen“. Als Beweismittel gab sie interne Dokumente an die Presse weiter. Während die Bundesregierung schweigt, spricht der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, von einem „inakzeptablen“ Vorgang und hofft auf baldige „Ahndung“. Eine Ahndung muss BioNTech sicher nicht fürchten. Dort herrscht Zufriedenheit. Allein für das zweite Quartal 2021 verzeichnet die Statistik ein Umsatzplus von 5,3 Milliarden Euro.