Zum Ampel-Regierungschaos und den politischen Ursachen des Haushaltsstreits im Bundestag

Regierungskrise unter Freunden

Siegfried Zimmermann

In gewisser Hinsicht ist die Regierungskrise der Ampel-Koalition eine seltsame Angelegenheit. Eigentlich könnte alles ganz einfach sein: Die Bundesregierung steht für eine massive Aufrüstung, einen aggressiven Kurs gegen Russland und China, für den sozialen Kahlschlag nach innen, für einen selbstzerstörerischen Wirtschaftskrieg und für eine Gleichschaltung des öffentlichen Diskurses mit Staatsräson und alledem. Darin unterscheidet sie sich nicht von der CDU, die das alles auch will. Die Linksfraktion hat sich nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe von UZ aufgelöst, die AfD darf ihr Geschwätz vom „importierten Antisemitismus“, die eigenen Vorstellungen von der Zerschlagung des Sozialstaats und vom Abbau des Asylrechts in der Regierungspolitik umgesetzt sehen.

Objektiv betrachtet ist die Ampel im Bundestag von Freunden umgeben. Deshalb wird nicht über den Krieg gestritten, sondern über die korrekte Abrechnung der Kriegskredite. Die Leidenschaft, mit der dies geschieht und mit der auch die Medien am historischen Prozess vorbei berichten, könnte den Stoff für eine alberne Satiresendung liefern, die wegen des übertrieben grotesken Plots jedoch nirgends ausgestrahlt würde.

Dabei ist die Sachlage längst geklärt: Die Schattenhaushaltswirtschaft der Bundesregierung ist ein organisierter Verfassungsbruch. Sie hat Kreditaufnahmen in „Sondervermögen“ ausgelagert, zielgerichtet Strukturen geschaffen, mit denen am Bundeshaushalt vorbei Geld ausgegeben werden könnte. Letzteres war nie ein Geheimnis – im Gegenteil: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach stolz vom „Doppel-Wumms“ als er den 200 Milliarden Euro schweren Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) vorstellte, der Steuergelder an Konzerne weiterleiten sollte, um sie in Wirtschaftskriegslaune zu halten. Grundlage dafür war die Feststellung einer „Notlage“ im Jahr 2022. Ausgezahlt werden sollten die Gelder aus dem Fonds aber überwiegend in den Jahren 2023 und 2024. Der Bundesfinanzminister bediente sich eines Tricks und täuschte eine Kreditaufnahme im Rahmen der für das Jahr 2022 geltenden „Notlagen-Kreditermächtigung“ vor, um das Geld bei Bedarf auch später abrufen zu können. Der Bundesrechnungshof bezeichnete das später als „finanztechnisch beispiellose Konstruktion“.

Ganz offen wurde auch der Missbrauch des „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) betrieben. Während die bürgerlichen Medien im Zusammenhang mit diesem Schattenhaushalt stets darauf hinwiesen, dass hier „Geld für Klimaschutzmaßnahmen“ beiseite geschafft werde, war es in Wirklichkeit andersrum. Die für Klimaschutz ausgezeichneten Mittel und Kreditaufnahmen wurden für alle möglichen Zwecke im Sinne des Großkapitals umgeleitet und zum Beispiel als Milliarden-Subvention für eine Intel-Fabrik in Magdeburg zur Verfügung gestellt.

Nichts davon unterscheidet die Ampel von ihren Vorgängerregierungen. Nicht erst seit Einführung der „Schuldenbremse“, mit der der neoliberale Abbau von Sozialstaat und Verwaltung vorangetrieben werden sollte, ist die Schaffung von Schattenhaushalten eine Kerndisziplin der deutschen Politik. Verhältnismäßig neu sind jedoch zwei Entwicklungen: Die erste ist die Heranziehung von „außergewöhnlichen Notlagen“ für diese Form der Haushaltspolitik. Das spielt nun auch im angekündigten Nachtragshaushalt eine Rolle, dessen Details zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe am Dienstag noch nicht bekannt waren. Der Bundeskanzler hatte jedoch schon angekündigt, alle möglichen „Notlagen“ heranziehen zu wollen: von der selbstgemachten Energiekrise über den selbst vorangetriebenen Stellvertreterkrieg gegen Russland bis zur sträflich vernachlässigten Flutkatastrophe im Ahrtal.

Die rückwirkende Feststellung dieser Notlagen soll das bisherige System stabilisieren und der Regierung Beinfreiheit verschaffen. Auch hier gibt es keine Heimlichtuerei. Als Scholz den Plan im Bundestag verkündete, war das Gelächter groß: Die Abgeordneten wussten, dass es sich um ein Theater zur Vortäuschung von Verfassungstreue handelte. Dazu passt auch, dass der Bundesrechnungshof gegenüber dem Haushaltsausschuss schon einmal feststellen durfte, dass der Nachtragshaushalt „verfassungsrechtlich äußerst problematisch“ sei. Solche Testate haben in der Vergangenheit nicht gestört und werden es wohl auch weiterhin nicht.

Denn – und das ist Teil der zweiten Neuerung – die CDU hat laut „tagesschau.de“ bereits signalisiert, dass sie nicht gegen den Nachtragshaushalt klagen will. Die Unionsfraktion hatte das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes erwirkt, das diesen Nachtragshaushalt überhaupt erst notwendig macht. Warum steckt sie jetzt zurück? Es darf vermutet werden, dass kein nachhaltiges Interesse daran besteht, die „Sondervermögen“ und „Fonds“ tatsächlich konsequent in den Bundeshaushalt zu holen. Denn dann müsste politisch über die dort getätigten Ausgaben diskutiert werden: über all die Subventionen und Gefälligkeiten, aber auch über die dort zweckentfremdeten Mittel und – natürlich – über das Budget für den Krieg. Vom im Grundgesetz verankerten „Sondervermögen“ für die Bundeswehr mal abgesehen, würden dann auch diese Ausgaben unter die Schuldenbremse fallen, die doch im besten Falle nur Sozialkürzungen bewirken soll. Sowohl der CDU als auch der Ampel dürfte es lieber sein, weiter ein großes Tamtam um die jährlichen Haushaltsberatungen zu machen als eine transparente Gesamtrechnung zu präsentieren.

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"Regierungskrise unter Freunden", UZ vom 8. Dezember 2023



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