Die Haltung zu Venezuela strapaziert die Koalitionen in Chile und Uruguay

Regieren – mit links?

Von Günter Pohl

Beteiligungen linker Parteien an kapitalistischen Regierungen bergen nicht selten Konfliktstoff. Das ist auch im Falle Kommunistischer Parteien nicht anders, wenn auch diese weit mehr als andere Kräfte der Linken verstehen, dass die Zukunft sich nicht am Horizont, sondern dahinter befindet. Weil sich die Erde ja dreht.

Entsprechend gehen sie an viele Probleme, die bei Koalitionen entstehen, mit relativem Langmut beziehungsweise materialistischer Gelassenheit heran. Aber es gibt auch Probleme, die bei Mitgliedern und Wählerschaft der KPen so viel Missmut hervorrufen, dass sie nicht einfach übergangen werden könnten.

So auch in Lateinamerika. Die komplizierte Situation in Venezuela spaltet nämlich nicht nur die Staaten der Region, wie es sich in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) oder im MerCoSur zeigt – sie spaltet auch die Parteienkonstellationen selbst, die moderat linke Modelle an die politische Macht brachten. Und die Haltung zu Venezuela, konkret nun zur Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung, sorgt für höhere Wellen als die eigentlich entscheidende Frage, wie man denn das System zu überwinden gedenkt, das Krieg oder Destabilisierung von volksnahen Regierungen, wie in Venezuela, verantwortet.

In Venezuela selbst ist die KP nicht an der Regierung beteiligt, begleitet sie aber von Anbeginn solidarisch. Unterstützt wird das Land von den karibischen Staaten, die über die CARICOM mit einer Stimme sprechen, sowie von Nicaragua, Kuba, Bolivien und Ecuador, was mehr oder weniger den ALBA-Mitgliedstaaten entspricht. In der OAS-Minderheit (allerdings in Größe und Wirtschaftskraft deutlich überlegen) sind Brasilien, Argentinien, Chile, Mexiko, Kolumbien und andere Länder Süd- und Mittelamerikas.

KPen sind in den Ländern, die sich gegen Venezuelas Regierung von Präsident Nicolás Maduro stellen, nur in Chile und Uruguay an Regierungen beteiligt. In Chile ist die Kritik angesichts der negativen Positionierung der Mitte-Links-Koalition unter Präsidentin Michelle Bachelet gegen die antiimperialistische Regierung Venezuelas immer lauter geworden. Am 20. März und am 19. Juni stimmte Chile in der OAS jeweils für eine Verurteilung Venezuelas, die in beiden Fällen aufgrund der konsequenten Haltung der CARICOM nicht gelang. Das auch vor dem Hintergrund, dass Parallelen zwischen dem Putsch in Chile 1973 und der Situation von Unternehmerstreiks und künstlichen Warenverknappungen bei gleichzeitigem Kapitalabfluss und starker Inflation, die zu hohen Verbraucherpreisen führen, nicht von der Hand zu weisen sind.

Auch Uruguay hat in der OAS gegen Venezuela gestimmt, was die Basis der KP Uruguays heftig kritisierte. Nun ist aber mit der Suspendierung Venezuelas aus dem MerCoSur, dem als weitere Vollmitglieder neben Uruguay auch Brasilien, Paraguay und Argentinien angehören, das Maß übervoll. Die Parteiführung hat sich mittels des Nationalen Exekutivkomitees am 5. August an die Öffentlichkeit gewandt und festgestellt, dass es sich um einen „neuerlichen und schwerwiegenden Schritt gegen eine Überwindung der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krise Venezuelas“ handelt, der stattdessen die Konfrontation schüre. Besorgt zeigt sich die KPU über die Nichtanerkennung des demokratischen, souveränen und verfassungsgemäßen Ausdrucks des venezolanischen Volks bei verschiedenen Wahlen, zuletzt am 30. Juli. Die KP Uruguays „teilt in keiner Weise die Position, die unsere Regierung eingenommen hat“. Neben den Kommunisten haben sich weitere Organisationen in der „Breiten Front“, die die Regierungsmehrheit stellt, in dieser Frage gegen die Regierung gestellt: Casa Grande, die Partei für den Sieg des Volkes, die Liste 711 und die Artigas-Strömung. Die Bewegung für eine Volksbeteiligung von Ex-Präsident José Mujica hat sich dagegen nicht geäußert; die Sozialistische Partei, der auch Staatschef Tabaré Vásquez angehört, begrüßte die Entscheidung gegen Venezuela.

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"Regieren – mit links?", UZ vom 18. August 2017



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