Kaum ist man einmal im Urlaub, meint der Layout-Kollege Karl aus der Spalte nebenan, dass er jetzt die Bücher empfiehlt. Pfff. Ich schreib ja auch nicht über die Tomaten auf meiner Fensterbank. Mit seiner Empfehlung aus der vergangenen Woche hat er allerdings recht. Wie auch nicht, schließlich hat er die ersten drei Bände zum Geburtstag bekommen. Von wem? Genau.
Adrian McKintys Serie über Sean Duffy, den „katholischen Bullen“, wie der erste Band auf Deutsch heißt, hat es in sich. Was Kollege Karl als „atmosphärisch dicht“ bezeichnet, ist ein gelungenes Bild von Belfast in den 1980er Jahren. Im ersten Band ist es 1981, die Stadt ertrinkt im Regen, die Hungerstreiker sterben im Gefängnis, die loyalistischen Paras triumphieren, die Demonstrationen nach dem Tod von Bobby Sands am 5. Mai 1981 werden gewaltsam durch Polizei und britisches Militär niedergeschlagen, am Trauerzug für Bobby Sands nehmen mehr als 100.000 Menschen teil.
Und Sean Duffy? Ist mit seinen Kollegen von der RUC im Einsatz gegen sogenannte „Aufstände“. Als einer der wenigen Katholiken im Norden Irlands, die sich der Bullerei angeschlossen haben (die Royal Ulster Constabulary, RUC, war bis zum Karfreitagsabkommen von 1998 die brutalste und unbeliebteste Polzeieinheit Europas – und die mit der höchsten Sterblichkeitsrate), wird er von allen Seiten des Konflikts angefeindet: Republikanern, Loyalisten, Polizeikollegen.
Dann wird in Carrickfergus, dem Vorort Belfasts, in dem Duffy lebt und arbeitet,eine Leiche gefunden. Mit abgeschnittener Hand. Doch es fehlen die 30 Silberlinge, die bei einer solchen Bestrafung von Verrätern normalerweise am Tatort hinterlassen werden. Und so stürzt sich Duffy mit seinen Kollegen McCrabban und Lawson in Ermittlungen, bei denen nichts so ist, wie es zunächst scheint.
So geht es dann munter durch die (bisher) acht Bände: Im 1982 spielenden „Die Sirenen von Belfast“ steht die neugebaute DeLorean-Fabrik im Zentrum der Ermittlungen um einen Torso, der ohne die dazugehörigen Körperteile in einem Müllcontainer gefunden wurde. Und ja, das Auto, mit dem man zurück in die Zukunft reisen kann, wurde in Belfast gebaut. Allerdings nicht lange. 1983 brechen in „Die verlorenen Schwestern“ 38 IRA-Gefangene aus dem berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis Maize aus. Einer von ihnen ist Dermot McCann, der IRA-Kommandant von Derry und ein Schulfreund Duffys. Und genau die Person, bei der er nach dem Bloody Sunday 1972 um die Aufnahme in die IRA gebeten hatte. Um ihn zu finden, muss er den Tod von McCanns Schwägerin aufklären – und die Ermittlungen führen Duffy zu den Ereignissen rund um ein gewisses Hotel in Brighton …
„Atmosphärisch dicht“ trifft es. Duffy verbringt die Nächte mit Wodka Gimlet vor seiner Plattensammlung, die Minuten vor dem Einsteigen in seinen BMW auf den Knien auf der Suche nach Quecksilberbomben, die Fallbesprechungen mit McCrabban und Lawson im Pub. Es regnet, wenn das Glück richtig auf Duffys Seite ist, schneit es auch mal. Die Bände sind politisch alles andere als korrekt und genau dadurch zeichnen sie ein treffendes Bild vom Belfast der 1980er Jahre. Es gibt keine Gewinner.
Wer die Chance hat, sollte die Bücher im englischen Original lesen. Nicht nur trifft der in Carrickfergus geborene McKinty die Sprache Belfasts auf den Punkt, Slang inklusive, es entgehen einem im Original auch nicht die wunderbaren Titel, sämtlich Tom-Waits-Zitate von „In the cold, cold ground“ über „I hear the sirens in the streets“ bis „Police at the station and they don‘t look friendly“.
„Formidable“, Karl hat recht. Und die perfekte Lektüre für verregnete Sommertage.
Adrian McKinty
Sean-Duffy-Reihe
1: Der katholische Bulle
Suhrkamp Verlag, 10 Euro
2: Die Sirenen von Belfast
Suhrkamp Verlag, 9, 99 Euro
3: Die verlorenen Schwestern
Suhrkamp Verlag, 9,99 Euro
Die fünf weiteren Titel sind ebenfalls auf Deutsch bei Suhrkamp erschienen.