Es war die größte Demonstration seit langem. Über 2 500 Menschen waren dem gemeinsamen Aufruf von 48 Organisationen und Initiativen gefolgt und demonstrierten gegen Rassismus und gegen Abschottungspolitik. Die Polizei hatte mal wieder deutlich weniger gezählt, nämlich 1 600. Mit vielen Transparenten, Schildern, mit zwei Lautsprecherwagen und vielen Sprechchören zogen die Demonstranten von der Kreuzung St. Jürgenstraße/Vor dem Steintor über die Sielwallkreuzung und den Hauptbahnhof bis zum Goetheplatz, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Unterwegs wurden Zwischenkundgebungen abgehalten. Viele der beteiligten Organisationen kamen zu Wort. Die Veranstalter hatten großen Wert auf die Internationalität gelegt; alle Reden wurden auf englisch und arabisch übersetzt.
Die Demonstration und die Kundgebungen waren in zwei großen Bündnistreffen im DGB-Haus vorbereitet worden. Es wurden die Arbeitsgruppen für die Organisation, für die Öffentlichkeitsarbeit usw. gebildet und über einen großen Verteiler um weitere Unterstützung geworben. Das Resultat war schließlich ein erstaunlich breites Bündnis bestehend aus u. a. DGB-Jugend, Jusos, verdi Bezirk Bremen-Nordniedersachsen, Landesverband, Kreisverband LdW und Fraktion der Partei „Die Linke“, Asta der Hochschule Bremen und Hochschule der Künste, attac, Blockupy, DIDF – Föderation Demokratischer Arbeitervereine Bremen, DKP, Bremer Friedensforum, GesamtschülerInnenvertretung, kurdische Organisationen, Linksjugend Solid, SDS Uni Bremen und SAV Bremen. Der Schwerpunkt der Organisation und der Werbung über Plakate, Flyer und die vielen Online-Medien lag aber wohl bei Organisationen wie Stadtkommune Alla Hopp, Afrique-Europe-Interact Bremen, A Gauche Bremen, Feliz Plenum, FemCafe, Flüchtlingsrat Bremen, Interventionistische Linke, Karawane, Katzensprung u. a., aus denen die eher jüngeren Demonstrationsteilnehmer kamen.
Die „Willkommenskultur“ gegenüber den über 100 000 Flüchtlingen, die nach Deutschland gekommen sind und noch kommen, ist zurzeit Mainstream. Und das ist natürlich durchaus zu begrüßen und wird – hoffentlich! – noch eine lange Zeit anhalten. Aber es wird auch Missbrauch getrieben mit dem Mitleid und der großen Hilfsbereitschaft. Vor allem die BildZeitung hat es mal wieder allen gezeigt und es tatsächlich geschafft, dass sich alle 18 Fußballvereine der ersten Liga an ihrer Werbe-Sponsoren-Aktion „Wir helfen – #refugees welcome“ beteiligten. Tagelang sammelte das Blatt Spenden und animierte Politiker, Manager und Prominente zum Mitmachen. Aber die Scheinheiligkeit dieser Kampagne war wohl doch zu offensichtlich, so dass zuerst der Hamburger FC St. Pauli und wenig später neun weitere Clubs sehr öffentlichkeitswirksam Front gegen die widerliche Kampagne der Bildzeitung machten.
„Refugees welcome“ – das war auch auf der Demonstration die zentrale Losung. Aber eben nicht nur! Der alltägliche Rassismus, der sich z. B. in Bremen wieder im Brandanschlag auf das neu errichtete Großraumzelt in der Ermlandstraße am 26. September 2015, zeigte, war ebenso Thema wie die teilweise unzumutbaren Lebensbedingungen in den schnell und provisorisch eingerichteten Massenunterkünften. Die Sprecherin des Flüchtlingsrates in Bremen kritisierte die zur Zeit laufende Verschärfung der Asylpolitik, wie sie die Bundesregierung im Windschatten der „Willkommenskultur“ betreibt – und sich um die Verfassungsmäßigkeit der Änderungen wenig kümmert. Die Sprecherin gab nähere Erläuterungen zu den geplanten Maßnahmen: weitere Leistungskürzungen, der Ersatz von Geld- durch Sachleistungen, die Begrenzung der Duldung auf maximal drei Monate, die Verschärfung der Abschiebepraxis, die Errichtung sogenannter Aufnahme- und Rückführungslager für Flüchtlinge aus den sogenannten sicheren Herkunftsländern, die sie bis zu ihrer Abschiebung nicht mehr verlassen dürfen, und und und …
Die Sprecherin des Bremer Friedensforums legte in ihrer kurzen Rede dann den Schwerpunkt auf die Flucht-ursachen. Niemand verlasse freiwillig seine Heimat. Erst die Kriege der NATO unter Führung der USA in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Sudan usw. hätten die unzumutbaren Lebensbedingungen herbeigeführt. Die vier erstgenannten Länder wären weitgehend zerstört, aus ihnen kämen jetzt die meisten Flüchtlinge. Unter Beifall schloss sie ihre Rede: „Fluchtgrund ist die barbarische Weltordnung. In den letzten 25 Jahren sind 300 Millionen Menschen an Hunger gestorben. Wirtschaftskriege und Kriege mit Waffen töten Millionen und zerstören die Lebensgrundlage von Hunderten von Millionen Menschen. Dass Menschen, die hierher fliehen, weil auch deutsche Waffen und deutsches Geld ihre Länder zerstören, hier menschenwürdig leben können, ist das Mindeste … Solidarität mit den Geflüchteten heißt, den Kampf aufzunehmen gegen die Hauptverursacher von Hunger und Krieg, den Kampf aufzunehmen gegen die imperialistische Politik der USA und der EU unter deutscher Führung. Nein zur NATO, Ja zum Frieden!“