Ukraine: Kampf unter Oligarchen

Reformer verlassen das sinkende Schiff

Von www.german-foreign-policy.com

Die wirtschaftliche Lage der Ukraine ist katastrophal. Die Wirtschaftsleistung ging im 2015 um 11 Prozent zurück. Die Ukraine ist überschuldet und von IWF-Krediten abhängig. Der monatliche Durchschnittslohn ist von rund 280 Euro (2013) auf 156 Euro (Oktober 2015) abgestürzt. Gleichzeitig sind die Preise nicht zuletzt für Nahrungsmittel und Heizung dramatisch gestiegen. Lediglich der Militärhaushalt steigt in diesem Jahr um 30 Prozent. Noch schneller als die Wirtschaft stürzt das Ansehen des politischen Personals ab, das der Westen im Februar 2014 durch den Putsch an die Macht gebracht hatte.

Seit Ende 2015 erhöhen die Schutzmächte der prowestlich gewendeten Ukraine ihren Druck auf Kiew: Es müsse endlich gegen die Korruption eingeschritten werden. Anfang Februar sind die Auseinandersetzungen um die Korruption in der Ukraine eskaliert. Am 3. Februar reichte Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius ein Rücktrittsgesuch ein. Abromavicius zählt zu den – in mehreren Fällen aus dem Ausland in die Ukraine geholten – „Reformern“, die auf westlichen Druck Regierungsämter in Kiew erhalten haben. Er äußerte zunächst, „einige der neuen Leute“ seien „noch schlimmer als die alten“, um sich dann unmittelbar gegen Staatspräsident Poroschenko zu wenden. Dessen enger Gefolgsmann Ihor Kononenko, stellvertretender Fraktionsvorsitzender des „Block Petro Poroschenko“ im ukrainischen Parlament, habe – offenbar mit Rückendeckung des Präsidenten – immer wieder versucht, die Vergabe wichtiger Posten in Staatsbetrieben und sogar im Wirtschaftsministerium zu bestimmen – „eine geradezu klassische Methode, durch die ukrainische Oligarchen seit jeher Staatsvermögen kapern und plündern“, schätzte die FAZ in einem Bericht ein. Abromavicius war nach den Ministern für Gesundheit, Infrastruktur und Landwirtschaft schon der vierte „Reformer“, der binnen kurzer Zeit sein Amt zur Verfügung stellte. Er wolle dies als „Warnruf“ verstanden wissen, erklärte er.

Seinen Rücktritt nutzten die Großmächte: Man sei „tief enttäuscht“ und fordere, dass „die ukrainischen Führer“ endlich „ihre persönlichen Interessen“ zurückstellten, hieß es in einem Schreiben, das die Botschafter zehn westlicher Staaten noch am 3. Februar publizierten. Die EU und die G7 verbreiteten Statements ähnlichen Inhalts.

Unklar ist, wie es weitergehen soll. Diskutiert wird derzeit, eine „Technokratenregierung“ unter der jetzigen Finanzministerin Natalie Jaresko ins Amt zu bringen. Damit übernähme westliches Personal in der Ukraine unmittelbar die Macht, ganz wie in einem Protektorat: Jaresko hat zwar vor ihrem Amtsantritt die ukrainische Staatsbürgerschaft erhalten, ist jedoch dessen ungeachtet eine ehemalige Mitarbeiterin des US-Außenministeriums. Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass sie im ukrainischen Parlament eine Mehrheit erhielte: Die Werchowna Rada wird in hohem Maße von den Oligarchen kontrolliert. Neuwahlen würden das kaum ändern. Zudem wären sie aus Sicht des Staatspräsidenten und der Regierung auch keine gangbare Option: Der „Block Petro Poroschenko“ käme Umfragen zufolge zurzeit allenfalls auf zehn Prozent; die Partei „Volksfront“ von Arsenjij Jazenjuk – immerhin amtierender Ministerpräsident – würde den Einzug ins Parlament verpassen.

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"Reformer verlassen das sinkende Schiff", UZ vom 26. Februar 2016



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