Mit AKK rückt der Frieden mit Russland noch weiter weg

Reden ist Silber

Von Ursula Vogt

Auffallend wenig Bedeutung gaben beim Schaulaufen für den CDU-Vorsitz die Kandidaten dem Thema Russland. Anne Will gelang es in ihrer Talkshow am 2. Dezember, Annegret Kramp-Karrenbauer ein Statement zur sogenannten Kertsch-Krise zu entlocken. Die lavierte zuerst herum, sprach sich dann aber eindeutig für eine härtere Gangart gegenüber Russland aus: „Ich bin der Auffassung, dass man der Erfahrung Rechnung tragen muss, dass bisher der harte Punkt noch nicht erreicht ist. Sonst wäre Putin diesen Weg nicht gegangen.“ Und schob nach: „Europa muss zusammen mit den USA sicherstellen, dass das Asowsche Meer kein russisches Binnenmeer ist.“ Laut Vertrag von 2003 zwischen Russland und der Ukraine ist das Asowsche Meer als Binnengewässer zu betrachten. Schiffe beider Länder können dort verkehren, aber auch kontrolliert werden. Weil es gegen Russland geht, wird dieser Konflikt zwischen zwei Staaten aufgepumpt zu einer internationalen Krise. Kramp-Karrenbauer maßt sich an, für Europa (also auch für die Nicht-EU-Länder) zu sprechen und erweitert das Aktionsfeld der USA gleich mit für diese Region.

In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters präsentiert sie tags darauf den Vorschlag, „dass russische Schiffe, die aus der Region kommen, aus dem Asowschen Meer, so lange nicht mehr in europäische oder US-Häfen einlaufen dürfen, wie dieser Zustand mit der Ukraine nicht beseitigt ist“. Auch hier verfügt sie wieder wie selbstverständlich über andere Länder, Europa inklusive USA, in diesem Fall deren Handelsschifffahrt.

Ihre Position war bekannt: „Wenn Russland den permanenten Bruch des Völkerrechts in der Ukraine zur Staatsdoktrin erhebt, wenn es nachweislich Bestrebungen gibt, Europa zu destabilisieren, wenn russische Desinformationskampagnen an der Tagesordnung sind, wenn russischer Einfluss in Kriegsgebieten wie in Syrien unseren Sicherheitsinteressen zuwiderläuft, wenn die baltischen EU-Mitglieder angesichts russischer Aktionen an unserer gemeinsamen europäischen Außengrenze Sorgen haben, dann kann der Dialog mit Russland das nicht alles ausblenden.“ (Gastbeitrag für die FAZ zu Helmut Kohl, 18.6.2018) Neues bietet Kramp-Karrenbauer nicht. Die Begehrlichkeiten gegenüber Russland werden aktuell nicht im Alleingang geäußert nach dem – misslungenen („Fuck the EU“) – Versuch des deutschen Imperialismus 2014, eigenständig mehr Einfluss auf die Ukraine zu bekommen.

Friedrich Merz hielt sich bedeckt. Anscheinend noch transatlantischer aufgestellt als Kramp-Karrenbauer, agierte er taktisch wesentlich geschickter. Die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU (MIT) unterstützte Merz vehement; fast beschwörend die Bitte ihres Vorsitzenden Carsten Linnemann nach der Wahl Kramp-Karrenbauers, Merz möge sie doch ja nicht im Stich lassen. An ihre Adresse ging auch das Signal des Multimillionärs, er sei einer von ihnen. Von ihm, dem knallharten Ökonomen und Lobbyisten, erhoffen sie sich mehr „Germany first“ und ein offenes Ohr für ihre Forderungen, nicht zuletzt der nach einem Ende der Russlandsanktionen, wie vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) im März 2018 vorgetragen.

In alle Richtungen offen – voran mit Macron – oder auch nicht. Merz war zusammen mit Hans Eichel, Jürgen Habermas, Roland Koch, Bert Rürup und Brigitte Zypries Erstunterzeichner eines Aufrufs „Für ein solidarisches Europa“, zuerst am 21.10.2018 im Handelsblatt erschienen, in dem es unter anderem heißt: „Von außen stellen Trump, Russland und China Europas Einheit, unsere Bereitschaft, gemeinsam für unsere Werte einzustehen, unsere Lebensweise zu verteidigen, immer härter auf die Probe“ und in dem gefordert wird, man möge zusammen mit Emmanuel Macron mutig vorangehen. Wenige Tage später, als klar ist, dass er für den CDU-Vorsitz kandidiert, distanziert er sich von diesem Aufruf, wobei unklar bleibt, ob ganz oder nur in einzelnen Passagen.

In der „Welt“ vom 12.6.2017 gibt Merz in einer Einschätzung von Trumps Wahl zum US-Präsidenten seinen Ausblick: „Europa müsse die Zeit der Trump-Präsidentschaft nutzen, um selbstbewusster und selbstständiger zu werden“, riet Merz. Die gegenwärtige Lage zwinge zu Überlegungen, wie Europa aus dem Schatten Amerikas heraustreten könne. Wenn das der Vorsitzende der Atlantik-Brücke sagt, dann darf das durchaus als sachkundige Ansage verstanden werden.

Kramp-Karrenbauer steht für Nicht-ganz-aber-im-Wesentlichen-weiter-so. Merz positioniert sich flexibler beim Ringen des deutschen Kapitals um den richtigen Weg zu mehr „Verantwortung Deutschlands“, sprich, seinem ökonomischen, politischen und militärischen Einfluss weltweit. Konsequenterweise ließ er sich jetzt in keine Parteiaufgaben einbinden. Kramp-Karrenbauer mal machen lassen und dann sehen, welche Karten gespielt werden.

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"Reden ist Silber", UZ vom 14. Dezember 2018



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