Das Verwaltungsgericht hat – nach fünf Jahren – entschieden, der Polizeieinsatz gegen S-21-Gegner am 30.9.2010 war rechtswidrig. Damals hatte ein massives Polizeiaufgebot versucht, den Stuttgarter Schlossgarten zu räumen, damit dort trotz fehlender Genehmigung die ersten Bäume für das Milliardenprojekt Stuttgart 21 gefällt werden konnten. Der Einsatz zeichnete sich auf Seiten der Polizei sowohl durch Chaos als auch massive Brutalität aus. Durch Schlagstöcke und Pfefferspray wurden 400 Menschen verletzt. Wasserwerfer zielten auf die Köpfe der Menschen, was mehrere Schwerverletzte forderte. In einem späteren Prozess gegen die Wasserwerferbesatzung wurde deutlich, dass dem Wasser Reizstoffe zugefügt wurden. Insgesamt liegen zahlreiche Beweise vor, dass die Polizei sich massiv über ihre eigenen Vorschriften hinwegsetzte.
Das Kalkül der damaligen CDU-geführten Landesregierung ist klar. Der Schlosspark als zentraler Bezugspunkt des Widerstandes sollte zerstört werden. Dies misslang durch den Widerstand von mehr als 10 000 Menschen. Gleichzeitig wollte man altbekannte Bilder schaffen: Gewalttätige Demonstranten greifen Polizisten an. Dieser Spaltungsversuch misslang ebenfalls. Keine der sofort von Polizei und Innenminister in die Welt gesetzten Behauptungen hielt bis zum Abend.
Dieses Urteil ist eine Klatsche für die Polizei und eine Ermunterung für den ausdauernden Widerstand gegen das zerstörerische Projekt S 21.
Die Protestaktion wurde vom Gericht als eine durch das Grundgesetz geschützte Versammlung (keine „unfriedliche Blockade“) angesehen, die nicht aufgelöst wurde. Anders wäre es also gewesen, wenn die Versammlung aufgelöst worden wäre. Diese Begründung ist angesichts der aktuellen Bestrebungen zum Abbau demokratischer Rechte bis hin zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren nicht wirklich beruhigend. Man kann sich ausmalen, was auf uns zukommt, wenn Gauck und all die anderen durchkommen mit ihrer Kriegsrhetorik. Vor dem Hintergrund der abscheulichen Anschläge von Paris wird gegen Flüchtende gehetzt, werden Ängste geschürt. Die Anschläge werden dazu missbraucht, jetzt die Weichen zu stellen für einen Ausbau der staatlichen Repressionsorgane und für eine Vernetzung der Geheimdienste.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart sollte uns also nicht zu der Illusion verleiten, dass die Herrschenden in unserem Land jetzt einsichtig geworden wären und sich in Zukunft schützend vor die demokratischen Rechte des Grundgesetzes stellen werden. Es war allerdings wohl zu offensichtlich und nicht mehr zu verbergen – auch nachdem ein polizeiinternes Video an die Öffentlichkeit gebracht wurde –, dass die Polizeiführung (wohl unter direkter Einflussnahme der Mappus-Landesregierung) hier rechtswidrig gehandelt hat.
Dieses Urteil ist auch ein Armutszeugnis für die Landesregierung aus Grünen und SPD, die auch durch den Widerstand gegen S21 gewählt wurde. Die Bilanz nach fast fünf Jahren fällt mehr als dürftig aus: Null Transparenz, Null Aufklärung, sondern weitermachen wie bisher.
An der Repression gegen S-21- Gegner, Antifaschisten und Antimilitaristen wird sich nach diesem Urteil also nichts ändern. Gerichtsurteile werden die Verhältnisse in unserem Land nicht in fortschrittlicher Richtung zum Tanzen bringen. Das geht nur mit großen und machtvollen außerparlamentarischen Aktionen auf der Straße und v. a. in den Betrieben. Dabei darf es den Herrschenden nicht gelingen, uns zu spalten in gewalttätige und friedliche Demonstranten, Deutsche, Ausländer oder Flüchtlinge. Zusammenstehen gegen S 21, gegen Rassismus und Kriegshetze, für Mindestlohn und bezahlbaren Wohnraum!