Einmal mehr hat die Hamburger Justiz ein bemerkenswertes Rechtsverständnis an den Tag gelegt. So wurde in der vergangenen Woche ein weiteres Mal ein junger Mann im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G20-Gipfel, der im letzten Jahr in der Hansestadt stattfand, verurteilt, obwohl ihm eine Straftat nicht nachgewiesen werden konnte. Das Amtsgericht Hamburg-Altona verurteilte den 27-jährigen Nico B. zu einer Haftstrafe von einem halben Jahr auf Bewährung und sah es als erwiesen an, dass der junge Mann sich des versuchten gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht hätte. Der aus Greifswald stammende Mann soll am 6. Juli des letzten Jahres versucht haben, die Besatzung eines Polizeihubschraubers mit einem sogenannten Laserpointer gezielt zu blenden.
Die Anklage gegen den 27-Jährigen stütze sich dabei einzig auf Aussagen des Piloten des Polizeihubschraubers und seines Kopiloten. So sagten die Beamten beide aus, jeweils am rechten Auge vom Lichtstrahl des Laserpointers getroffen worden zu sein und bis zu zehn Sekunden nichts sehen hätten können. Daraufhin sei der Helikopter um 90 Meter abgesackt. Jedoch nahm der Prozess eine beachtliche Wende: Ein Gutachter widersprach der Version der Polizisten. Der Höhenmesser des Helikopters habe im Gegensatz zu den Behauptungen der Beamten keinen Verlust angezeigt und faktisch hätten diese ja auch mit dem linken Auge sehen können. Nico B.‘s Rechtsanwalt, dessen Mandant immerhin fünf Monate in Untersuchungshaft saß, warf den Polizisten daraufhin ein „gezieltes Komplott“ vor. Zudem hätten die beiden sich abgesprochen und die Unwahrheit gesagt. Trotzdem wurde der Greifswalder verurteilt.
Mittlerweile wird immer deutlicher, wie groß das Ausmaß an
Rechtsverstößen tatsächlich ist, welche im Vorfeld, während und im Nachgang des G20-Gipfels von staatlichen Stellen und Behörden tatsächlich begangen worden sind. So rügte in der letzten Woche selbst die Zivilkammer 1 des Landgerichts Hamburg die Ingewahrsamnahmen von Gegnerinnen und Gegnern des Gipfels in der Gefangenensammelstelle (Gesa) als rechtswidrig.
Ähnlich positionierte sich kürzlich auch die „Nationale Stelle zur Verhütung von Folter“, die in ihrem Jahresbericht die teils menschenunwürdigen Zustände in der Gesa monierte. „Es zeigt sich zunehmend, dass es mit Bezug auf den G20-Gipfel zu massiven Rechtsverstößen seitens des Staates gekommen ist. Während die Verantwortlichen dafür bisher nicht zur Rechenschaft gezogen werden, werden Verfahren gegen G20-Gegner eröffnet, die an Absurdität nicht zu überbieten sind“, kritisierte Henning von Stoltzenberg, Mitglied des Bundesvorstandes der Roten Hilfe, gegenüber UZ. Einmal mehr zeige sich zudem, dass es die politische Linke sei, die im Gegensatz zu Polizei,
etablierter Politik und Teilen der Justiz die verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte verteidigten, so von Stoltzenberg weiter.