Koalitionsspitzen wollen schneller abschieben

Rechtsbrüche mit Ankündigung

Von Markus Bernhardt

Auch fast zwei Wochen nach den sogenannten Silvester-Übergiffen von Köln überbieten sich bürgerliche Politiker und Rassisten mit gegen Flüchtlinge und Migranten gerichteten Vorschlägen. Während Rassisten am Montag im Nachgang eines Aufmarschs des rechten Netzwerks „Legida“ marodierend durch den alternativen Leipziger Stadtteil Connewitz zogen und ein Bild der Verwüstung hinterließen, sprachen sich in den letzten Tagen immer mehr Politiker für eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen aus.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach Flüchtlingen gar das Recht auf freie Wahl des Wohnortes ab. „Ich glaube, wir brauchen eine Wohnsitzauflage. Sonst ziehen die Menschen – auch die anerkannten Asylbewerber – alle in die Großstädte“, behauptete er. Dort würden sich dann die Schwierigkeiten ballen, „und wir kriegen richtige Ghettoprobleme“. Bei der Linkspartei stießen derlei Ansichten auf Ablehnung.

„Offenbar hat sich der SPD-Vorsitzende Gabriel vorgenommen, dieses Jahr in einen Wettstreit mit Horst Seehofer und Frauke Petry einzutreten, wer es schafft, das gesellschaftliche Klima am meisten zu vergiften. Dass der Vizekanzler den Anschein erweckt, der Strafvollzug im Folterstaat Syrien wäre für irgendjemanden angemessen, ist einfach nur abstoßend“, kritisierte etwa Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag. Gabriel heize „die rassistische Debatte weiter an“ und glaube „offenbar, dass seine Partei ihm mit seiner Wahl dafür einen Freibrief ausgestellt“ habe. „Aber gerade ein Vizekanzler muss so viel Verantwortungsbewusstsein aufbringen können, um von einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Debatte zurück zu einer nüchternen, unvoreingenommenen und lösungsorientierten Diskussion zu kommen“, forderte Korte weiter.

Zuvor hatten sich auch Vertreter der CDU/CSU für schnellere Abschiebungen vermeintlicher Straftäter aus, auch wenn diese noch im Asylverfahren seien. Obwohl Asylbewerber, die zu einer mindestens einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt werden, schon jetzt abgeschoben werden können, geht die geltende Gesetzeslage den Großkoalitionären nicht weit genug. Es müsse „immer wieder überprüft werden, ob wir, was Ausreisenotwendigkeiten anbelangt oder Ausweisungen aus Deutschland, schon alles getan haben, was notwendig ist“, forderte etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Die diesjährige Klausurtagung der CSU, die Anfang Januar in Wildbad Kreuth stattfand, wurde unterdessen ebenfalls vom Thema Flüchtlinge dominiert. Anstatt die menschenunwürdige Situation, unter der das Gros der Flüchtlinge seit seiner Ankunft in der Bundesrepublik zu leiden hat, zu beheben, ließen die Rechtskonservativen ein Feuerwerk rassistisch anmutender Ansichten und Forderungen in die Luft. So sprachen sich die CSU-Funktionäre erneut für eine sogenannte Obergrenze und für Einreiseverbote für Flüchtlinge ohne Ausweis aus. Vor der Klausurtagung der CSU hatten sich unterdessen Anhänger der sozialchauvinistischen und in weiten Teilen rassistischen AfD versammelt, um gegen die Politik der CSU, aber auch die von Angela Merkel zu protestieren, die als erste CDU-Bundeskanzlerin die CSU-Tagung besuchte. Etwa 150 Anhänger der AfD waren dem Aufruf zu den Protesten gefolgt und gaben die Parole „Stoppt Merkel“ oder auch „Grenzen schützen“aus.

Der zu beobachtende Wettstreit um die reaktionärsten und rassistischsten Vorschläge in der Flüchtlings- und Migrationspolitik dürfte unterdessen geeignet sein, rechte Gewalttäter weiter zu ermuntern, mit denen von ihnen begangenen Attacken auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte einen von ihnen ausgemachten „Volkswillen“ zu vertreten. Während die DKP auch zukünftig für ein solidarisches Miteinander wirbt und die vollkommene Gleichstellung der Flüchtlinge mit der alteingesessenen bundesdeutschen Bevölkerung fordert, muss sich die etablierte Politik den Vorwurf gefallen lassen, eine deutliche Mitverantwortung am grassierenden Rassismus und der damit einhergehenden rechten Gewalt zu tragen.

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"Rechtsbrüche mit Ankündigung", UZ vom 15. Januar 2016



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