Der Traditionserlass der Bundeswehr wurde der „Zeitenwende“ angepasst

Rechts – um!

Kolumne

Am 12. Juli verschickte der Leiter der Abteilung „Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte“ im Verteidigungsministerium, Generalleutnant Kai Rohrschneider, intern „Ergänzende Hinweise zum Traditionserlass“. Inzwischen veröffentlichten verschiedene Medien das elfseitige Papier. In dessen Punkt drei formuliert Rohrschneider als Zweck: „Mit der durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ausgelösten Zeitenwende ist die Bedeutung von Kriegstüchtigkeit von Streitkräften, die sich maßgeblich aus einem hohen Einsatzwert und hoher Kampfkraft ableitet, auch für die Traditionspflege gestiegen.“ In ihr müsse folglich „ein größeres Augenmerk auf militärische Exzellenz (Fähigkeit beziehungsweise Können) gelegt werden gegenüber anderen traditionsstiftenden Beispielen wie klassische soldatische Tugenden (Charakter) oder Leistungen für die Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft“. Dabei komme „als traditionsstiftend und als Ausdruck von Kriegstüchtigkeit zwar das Bestehen im Gefecht im Rahmen des internationalen Krisenmanagements in Frage; es darf dabei aber keine Reduktion auf das Fallen im Einsatz erfolgen“. Heißt: Einfach ins Gras beißen reicht nicht fürs Heldentum, eine „Wertebindung“ muss dabei sein.

20 05 Arnold - Rechts – um! - Kriegstüchtigkeit, Reaktionärer Staatsumbau, Wehrmacht, Zeitenwende - Positionen
Arnold Schölzel

Das bedeutet: Zurück zu den Anfängen. Wörtlich: „In der Traditionspflege der Bundeswehr mit Bezug zur Zeitenwende kommt der Gründergeneration der Bundeswehr eine bedeutende Rolle für traditionsstiftende militärische Exzellenz zu. Die rund 40.000 von der Wehrmacht übernommenen ehemaligen Soldaten hatten sich zu großen Teilen im Gefecht bewährt und verfügten somit über Kriegserfahrungen, die beim Aufbau der Bundeswehr unentbehrlich waren. Gleichzeitig bezeugten sie ihre Wertebindung an die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland (FDGO).“

Damals vor bald 70 Jahren verzichtete die Armee noch auf einen Traditionserlass: Ihr Personal verkörperte die Tradition und hängte seine Erinnerungsstücke in die Kasernen, die reihenweise nach Kriegsverbrechern benannt waren. Das kam selbst bei den NATO-Verbündeten nicht gut an und so musste im ersten Traditionserlass von 1965 ausdrücklich stehen: „Symbole, die das Hakenkreuz enthalten, werden nicht aufgestellt und nicht gezeigt.“ Ansonsten war die Wehrmacht ein einziges Vorbild. Im zweiten Traditionserlass des Sozialdemokraten Hans Apel von 1982 war dann, sensationell für die BRD, zu lesen, die Wehrmacht sei „teils schuldhaft verstrickt“ gewesen. Das war kurz vor der damaligen Stationierung von Waffen zur „Enthauptung“ Moskaus. Beruhigend hieß es aber anschließend bei Apel: Andere Elemente der Truppe seien „schuldlos missbraucht“ worden. Da konnte sich jeder etwas Passendes suchen.

Der aktuelle und nun ergänzte Traditionserlass ist aus dem Jahr 2018, die Ressortchefin hieß Ursula von der Leyen. Sie hatte im April 2017 in der Truppe ein „Haltungsproblem“ und „Führungsschwäche“ diagnostiziert und Kasernen auf Wehrmachtsdevotionalien hin durchsuchen lassen, was fast eine Generalsmeuterei auslöste. In der FAZ zürnte Generalmajor a. D. Christian Trull, im Ministerium tue man so, „als ob es im Grundbetrieb der Bundeswehr gar nicht um Töten und Getötetwerden ginge“. Dabei bestehe das mittlere Führungskorps der Armee aus Menschen, „die von Somalia über das Kosovo bis zu Afghanistan und Mali Erfahrungen in Einsatz- und Gefechtssituationen gesammelt haben“. Das „Abschneiden von den Soldatengenerationen der Wehrmacht und der kaiserlichen Armee“ sei „falsch“. Das wurde dann auch im Leyenschen Erlass vermieden.

Nach weiteren sechs Jahren sind Staat und Armee nun beim reaktionären Umbau entscheidend weitergekommen: Die Wehrmacht war gut, sofern ihr Personal „Wertebindung“ entwickelte. Das reicht für die moralische Aufrüstung gegen Moskau.

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"Rechts – um!", UZ vom 16. August 2024



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