Angestiftet von rechter Propanda und Falschmeldungen eskalierten Proteste gegen eine Reform der Sozialversicherung INSS mit Mordanschlägen gegen Polizisten, Journalisten und FSLN-Mitglieder. Es kam zu schweren Zerstörungen in mehreren Städten. Die Vizepräsidentin Rosario Murillo sprach von Aufstandsversuchen. Präsident Daniel Ortega rief zum Frieden und Dialog auf. Die Reform wurde nach fünf Tagen zurückgenommen. Gelöst ist das Problem damit nicht, denn das Defizit in der Versicherungskasse wird ohne Reform größer werden.
Die größte Gewerkschaft FNT befürwortete die Reform, ebenso die Vereinigung der Hochschullehrer. Sie betonten, dass damit die weiterreichenden Vorschläge des Internationalen Währungsfonds abgeblockt wurden. Laut Reform sollte bis 2020 der Versicherungsbeitrag der Arbeitgeber um 3,5 Prozent auf 22,5 Prozent und der der Arbeitnehmer um 0,75 Prozent auf 7 Prozent steigen. Die Rentenempfänger sollten eine Solidaritätsabgabe von 5 Prozent für die Versorgung von Schwangeren und Kranken leisten.
Der Unternehmerverband COSEP und die Handelskammern protestierten gegen die Reform. Sie warnten vor Wirtschaftsproblemen durch Kaufkraftrückgang der Versicherten und Entlassungen. Die Reform würde zudem das Defizit des INSS nicht dauerhaft beseitigen und nicht zu mehr formalen Beschäftigungsverhältnissen führen. Die Unternehmer forderten eine starke Erhöhung der Mindestanzahl von Beitragszahlungen, um einen Rentenanspruch zu erwerben. Außerdem sollten die reduzierten Renten gestrichen werden, die an alte Menschen ohne Rentenanspruch gezahlt werden. Die Ausgaben des INSS sollen nach ihren Vorstellungen um 20 Prozent gesenkt werden. Die Forderungen des COSEP hätten einen viel größeren Einschnitt an Sozialleistungen gebracht als die jüngst beschlossene Reform. An der hatte der COSEP nicht mitgewirkt, weil er sich vor zwei Jahren aus Unzufriedenheit mit einer Reform im Jahr 2013 aus dem Vorstand des INSS zurückgezogen hatte.
Studentische Gruppen begannen mit Protesten, aber der Studentenverband UNEN und der Rat der Universitäten lehnten sie ab. Über die Medien und das Internet wurden die düsteren Voraussagen zur Wirtschaftsentwicklung mit Falschmeldungen über angeblich geplante Repressionen der Regierung kombiniert, um die Unruhen anzufachen. Zuerst wurde nahe einer Universität ein Polizist erschossen, dann ein sandinistischer Teenager nahe Managua. Die Proteste hatten keine sichtbaren führende Köpfe, sondern wurden offenbar über digitale Medien und Helfer im Hintergrund koodiniert. Die Regierung sperrte vorübergehend die Frequenzen einiger Fernsehsender, die sich an Falschmeldungen beteiligt hatten.
Die Proteste begannen in der Universität UPOLI. Dort hat die sogenannte Bewegung der Sandinistischen Erneuerung MRS, eine 1995 von der FSLN abgespaltene und nach rechts gerückte Partei, einen merklichen ideologischen und personellen Einfluss.
Der FSLN-Vertreter machte die MRS und extrem rechte Kräfte für die Eskalation der Proteste verantwortlich. Seit einigen Jahren behaupten sie, dass der „Diktator Daniel Ortega“ mit Gewalt aus der Regierung vertrieben werden müsse. Während in Managua und andernorts Einrichtungen des INSS, der Nationaluniversität UNAN, pädagogische Institute, öffentliche Bauwerke, Bürgermeisterämter, ein Radiosender, ein Gerichtsgebäude und viele andere Enrichtungen brannten oder durch Vandalen verwüstet wurden, verurteilten oppositionelle Medien die „Repression“ gegen Studentenproteste.
Jugendbanden, Kriminelle und Anhänger rechter Parteien bestimmten zunehmend die Gewaltaktionen. Sie mündeten in Plünderungen von Supermärkten, Einkaufszentren, kleinen Geschäften und Privatwohnungen. An einigen Stellen errichteten sie Straßensperren und erpressten Geld von Autofahrern. Die Banden griffen FSLN-Mitglieder an, die für die Reform auf die Straße gingen. In Bluefields wurde ein Reporter des staatlichen Fernsehsenders Canal 6 durch einen Kopfschuss getötet, eine Polizistin schwebt nach einem Kopfschuss in Managua in Lebensgefahr. Nach fünf Tagen waren 14 Menschen auf beiden Seiten getötet worden.