Die Befürchtungen sind wahr geworden: Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am vergangenen Sonntag wurde die sozialchauvinistische und in weiten Teilen rassistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) zweitstärkste Partei. Insgesamt 24,2 Prozent der Wählerinnen und Wähler votierten für die Rechten, die das erste Mal zu einer Landtagswahl in Sachsen-Anhalt angetreten waren. „Wir haben ganz viele Nichtwähler dazu bewegt, endlich an der Wahl teilzunehmen. Eine Sache, die die etablierten Parteien nicht geschafft haben. Wir haben bei dieser Wahl den größten Anteil gebracht an der Förderung der Demokratie“, fabulierte der AfD-Landesvorsitzende André Poggenburg, der in seiner Partei zum Rechtsaußenflügel gehört, infolge des vielerorts als „historisch“ bezeichneten Wahlergebnisses der Rechten.
Die bis dato gemeinsam mit der CDU regierenden Sozialdemokraten erlitten hingegen herbe Verluste und halbierten ihr Wahlergebnis. So büßte die SPD 10,9 Prozentpunkte ein und kam nur noch auf ein mageres Ergebnis von 10,6 Prozent. Damit verliert die SPD nach und nach ihre Stellung als Volkspartei. Die CDU erlitt leichte Verluste, wurde jedoch mit 29,8 Prozent noch immer stärkste Partei. Während die FDP mit 4,9 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag verpasste, sind Bündnis 90/Die Grünen mit 5,2 Prozent wieder im Landtag vertreten. Drittstärkste Kraft wurde die Linkspartei. Sie konnte jedoch nur noch 16,3 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen und verlor 7,4 Prozent der Stimmen. Infolge der herben Wahlschlappe zog der bisherige Fraktionschef Wulf Gallert am Tag nach der Wahl die Konsequenzen und kündigte an, nicht mehr als Fraktionsvorsitzender antreten zu wollen. „Mein Entschluss zu diesem Schritt steht seit Monaten fest, konnte aber nur intern im kleinen Kreis beraten werden, weil wir im Wahlkampf anderes zu tun hatten“, erklärte Gallert. Auch und gerade nach diesem Wahlergebnis habe er aus der „Partei und der Fraktion unwahrscheinlich viel Zuspruch und Dank für meinen Wahlkampf“ erhalten, behauptete er weiter.
Tatsächlich galt Gallert selbst in der eigenen Partei keineswegs als unumstritten, sondern vielmehr als der „ewige Kandidat“, der 22 unterschiedliche Funktionen bei den demokratischen Sozialisten inne hatte. Teils hämischen Spott hatte Gallert im nunmehr zurückliegenden Wahlkampf aufgrund eines Wahlplakats geerntet, welches sein Konterfei mit der Aufschrift „Frauenversteher“ zeigte. Am Montag schlug Gallert den bundesweit unbekannten Swen Knöchel als neuen Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei vor.
Nicht nur in Sachsen-Anhalt wird sich die Linkspartei künftig Gedanken darüber machen müssen, warum sie von immer mehr früheren Wählerinnen und Wählern nicht mehr als gesellschaftspolitische Opposition wahrgenommen wird, sondern vielmehr als Teil des etablierten Parteienkartells. Insgesamt rund 28 000 bisherige Wähler hatte die Partei an die AfD verloren.
„Ohne Zweifel, wir hätten uns andere Ergebnisse erhofft. Das ist eine Niederlage für uns. Aber eben auch eine Niederlage der Werte wie Humanismus, Solidarität und Demokratie“, konstatierte Rico Gebhardt, Landes- und Fraktionsvorsitzender der Linkspartei im „Pegida“-Geburtsland Sachsen.
Es sei „erschreckend, wie die AfD in den letzten Wochen mit Ängsten gespielt“ habe, erklärte Sascha H. Wagner, Landesgeschäftsführer der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen. So habe die AfD „nichts zu bieten, außer Hetze gegen Flüchtlinge, ein Familienbild aus dem vorletzten Jahrhundert und soziale Kahlschlagspolitik“. „Nicht die Flüchtlinge sind ein Problem für die Menschen, wir müssen endlich wieder Klartext reden“, forderte Wagner auch mit Blick auf die eigene Partei. „Bezahlbares Wohnen, gute öffentliche Einrichtungen, Gesundheitsversorgung, gute Jobs: An all dem fehlt es, der Mangel ist hausgemacht“, stellte er klar. Gebraucht werde hingegen „eine soziale Offensive“, so Wagner weiter.
Der Linkspartei dürften zukünftig einige Auseinandersetzungen ins Haus stehen, wird sie doch auch in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, wo noch im Herbst dieses Jahres gewählt wird, von der Mehrheit der Wähler nicht als Opposition wahrgenommen. Vielmehr droht in beiden Bundesländern ein Einzug der AfD mit zweistelligen Wahlergebnissen. „In Berlin gibt es seit Jahren keine richtige Opposition mehr. Viel zu sehr achten alle auf die Chancen, bei der nächsten Wahl doch noch als Regierungspartner an die Macht zu kommen“, konstatierte am Dienstag selbst der ehemalige Berliner Finanzsenator aus dem Kabinett von Klaus Wowereit, Ulrich Nussbaum. Erst am Wochenende hatte die Berliner Linkspartei eben diese Kritik eindrucksvoll bestätigt.