Der Konkurrenzkampf der Monopole wächst weiter und die staatlichen Kommandozentralen rasseln immer lauter mit ihrem modernen Kriegsgerät. Feindliche Monopole sollen vernichtet, Rohstoffe gesichert, neue Absatzmärkte gefunden werden, um die Krise zu überwinden. Die überwiegende Mehrheit der Menschen in den USA und Europa, die in dem Mahlwerk dieser Strategie stecken, obgleich sie als Einzelne nur abhängige Arbeitskräfte und als Klasse der objektive Widerspruch zur Klasse der Monopolkapitalisten sind, müssen ideologisch so geformt werden, dass sie aus innerer Überzeugung gegen ihre eigenen Interessen für das Monopolkapital marschieren.
Franziska Schreiber, ehemaliges AfD-Mitglied, schreibt in ihrem Buch „Inside AfD“: „Die Zuwendung zur AfD ist im Osten ein Aufschrei derer, die nicht einverstanden sind mit der Einverleibung der DDR, denn die bedrückende Wahrheit ist: Was wie Selbstbewusstsein wirkt, ist Trotz. Revanche für die vielen Demütigungen durch die Glücksritter, die aus dem Westen kamen und die naiven Ossis über den Tisch zogen.“ Der Aufschrei richtet sich gegen „Frau Merkel“, die verschwinden soll. Er richtet sich nicht gegen das westdeutsche Monopolkapital und dessen Akteure, die sich DDR-Fabriken, Ländereien, Zeitungen, Häuser aneigneten und „blühende Landschaften“ versprachen. Er richtet sich auch nicht gegen den Staat, der für die Verwirklichung der Kapitalinteressen die Rahmenbedingungen schafft. Der Aufschrei wurde von jenen gehört und auf eine passende ideologische Ebene gehoben, die im Interesse des Monopolkapitals einen konservativen Revolutionsmythos schaffen, der verhindern soll, dass die Monopolkapitale enteignet werden und die Jagd nach Profit nicht mehr das Leben der Menschheit bestimmt.
Marc Jongen, Mitglied des Kulturausschusses des Bundestages, will, so sagte er im Deutschlandradio Kultur, „mehr als von einem Klassenkampf von einem Kampf der Kulturen sprechen, der jetzt auch nicht die ganze Weltgeschichte beherrscht hat, aber der jetzt eben auch durch die Globalisierung, indem diese großen Kulturkreise erstmals in der Weltgeschichte aufeinandertreffen, jetzt mehr und mehr ins Zentrum des Weltgeschehens rückt.“ Die objektive Wirklichkeit von Klassen im Monopolkapitalismus will er durch einen „Kampf der Kulturen“ in den Köpfen ersetzen. Wenn wir Kultur durch Völker ersetzen, wird klar, was Jongen meint. Unser Volk muss sich gegen die anderen rüsten. „Was wir wollen,“ so Jongen, „ist eine Art von bürgerlicher konservativer Revolution.“
Das ist keine neue Idee, mit der die Wirklichkeit im Bewusstsein der Menschen auf den Kopf gestellt werden soll. Bereits 1932 schrieb Julius Jung, ein Verehrer Mussolinis: „Konservative Revolution nennen wir die Wiedereinsetzung aller jener elementaren Gesetze und Werte, ohne welche der Mensch den Zusammenhang mit der Natur und mit Gott verliert und keine wahre Ordnung aufbauen kann. An Stelle der Gleichheit tritt die innere Wertigkeit, an Stelle der sozialen Gesinnung der gerechte Einbau in die gestufte Gesellschaft“. Und welche Gesetze und Werte soll die konservative Revolution wieder einsetzen? Lesen wir, was Alexander Gauland dazu sagt: „Die liberale Vision einer offenen Gesellschaft der Freien und Gleichen, einer Gesellschaft ohne Sinnzentrum, setzt moralisch und ethisch gefestigte Individuen voraus, die die historischen Halteseile religiöser und moralischer Tabus nicht mehr brauchen, um auch in Krisenzeiten ihr inneres Gleichgewicht, ihre Tugendhaftigkeit zu wahren.“ Gauland, der sich natürlich selbst zum erlesenen Kreis der Übermenschen zählen wird, hat erkannt, dass der Monopolkapitalismus in der Zeit nach 1945 eine große Sinnleere im Leben der einzelnen Menschen geschaffen hat. Da gibt es keinen Gott mehr, dessen Forderung nach Nächstenliebe Folge geleistet wird, da gibt es nur noch den Einsatz von Ellenbogen, um selbst auf der Karriereleiter nach oben zu klettern. Ohne Rücksicht auf Verluste. Wir erleben eine Welt, deren herrschende Klasse über Leichen geht. Dementsprechend ist Gaulands Schlussfolgerung richtig, wenn er schreibt, dass die „liberal-demokratischen Gesellschaften“ „in die Krise“ geraten sind. Dagegen will er wieder eine „verbindliche Mitte“, einen „ethnischen, moralischen, kulturellen oder religiösen Identitätskern“ schaffen. Die Familie sei „neben dem Heimatbegriff, der nationalen Identität, der Kunst und Religion das kräftigste Widerlager, sein stärkster Gegner“ zur Ökonomie. Nicht der Blick auf die Wirklichkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse wird als Ursache menschlicher Vereinsamung, Verrohung und Verzweiflung genannt, sondern die AfD will „Gegenwelten“ zu einer Ökonomie schaffen, die nur nach Profit strebt. Gauland stellt treffend fest: „In allen Parteien“ sei „künftig“ der Streit zwischen „zwei kulturellen Milieus“ zu erwarten, einem „liberal individualistischen, das sich für … jede Art von Selbstverwirklichung stark macht, und einem wertkonservativen, das auf einer verbindlichen Identität aus moralischen Prinzipien und abendländischen Traditionen besteht und wirtschaftlichen Notwendigkeiten wie wissenschaftlichen Erfolgen eher skeptisch gegenübersteht“. „Dabei kann es zu neuen Bündnissen zwischen linken Antikapitalisten und rechten europäischen Fundamentalisten kommen, denn Globalisierung und Turbokapitalismus sind beiden suspekt und das alte Rechts-Links-Schema nicht länger die Wasserscheide zwischen den Lagern.“
Die ideologischen Tricks
Jongen und Gauland sind Prediger einer indirekten Apologetik, einer Rechtfertigung des Monopolkapitalismus. Sie gebärden sich als Gegner des „Turbokapitalismus“, stärken ihn aber. Sie wollen „Geborgenheit“ schaffen, weil „Turbokapitalismus“ keine Behausung für Menschlichkeit, Vernunft, Umweltbewusstsein, Solidarität akzeptiert. Die Menschen sind Subjekte ihrer Geschichte, also auch ihres Wirtschaftens. Wird aber die Wirtschaft selbst zum Subjekt, so wird umgekehrt der Mensch für die Ökonomie zum Subjekt. Ergo: An der menschenfeindlichen Ökonomie lässt sich nichts ändern.
So drehen die AfD-Ideologen die Wirklichkeit auf den Kopf, um Menschen in eine „Revolution“ zu führen, die die bisher erlebten Konkurrenzkämpfe in blutige Feldschlachten verwandeln wird, bei denen die „ethnisch“ reinen Deutschen weder das Völkerrecht noch das Leben anderer Menschen achten müssen. Sie dürfen töten, wie beim Mord am CDU-Regierungspräsidenten Lübcke, weil sie die „Übermenschen“ sind, die das so dumme deutsche Volk vor jenen retten müssen, die die Heimat „entdeutschen“. Diese Form der indirekten Apologetik, die akademisch verziert daherkommt, wird ergänzt durch Vermittlung eines positiven NS-Bildes. Publikationen wie die „Deutsche Militär Zeitschrift“, „Weltkrieg“, „Schwertträger“ oder „Deutsche Militärzeitschrift Spezial“ werden am Kiosk zum Kauf angeboten und sollen mithelfen, eine „verbindliche Mitte“ zu schaffen. Die indirekte Apologetik der AfD und Co. ist deshalb so erfolgreich, weil die bisher funktionierende direkte Rechtfertigung der herrschenden Ideologie der „Volksparteien“ fast in Scherben zerfallen ist. Teile der CDU/CSU spüren das, sie schwanken zwar noch zwischen direkter und indirekter Apologetik, aber rufen bereits zur Gestaltung einer „Leitkultur“ auf, die mit „Heimat und Patriotismus“ eine „verbindende Rahmenkultur“ schaffen soll.
Die Grünen profitieren nur kurzfristig von dem Tief der SPD, CDU/CSU. Sie werden als Retter der Natur bewertet, sozusagen als partielle Nichtapologeten des Kapitalismus. Da die Natur in erster Linie aber nicht von den Verbrauchern zerstört wird, sondern von der warenproduzierenden Industrie, Landwirtschaft und von Kriegen, wird sich bald zeigen, ob die grüne direkte Apologetik weiterhin Zustimmung findet. Nach seiner Vergangenheit im Kommunistischen Bund Westdeutschland befragt, antwortete der Ministerpräsident Winfried Kretschmann: „Ich musste lernen, die Welt so zu akzeptieren, wie sie ist.“ Da spricht ein wahrer direkter Apologet des Monopolkapitalismus. Doch nicht nur er denkt so. Aufgabe von Politik sei es, „durch Regeln und Steuern Ungleichheit zu reduzieren und einen Ausgleich zu schaffen“, so steht es im Grundsatzprogramm der Grünen. Man darf gespannt sein, wie die Grüne Partei aus der direkten Apologie in die indirekte rutschen wird, um sich auf Posten halten zu können. Ob sie den Wählern wieder das Gebet zu Gott lehren wird?
Aber die Krise des Kapitalismus kennt nur zwei Wege, entweder zurück zur „Konservativen Revolution“ oder nach vorn, zur Beseitigung des Monopolkapitalismus, also zur sozialen Revolution. Dazwischen werden die Kräfte der direkten Apologetik zerrieben.