Werden bald Schiffe der italienischen Marine in den Hoheitsgewässern Libyens kreuzen? Im Rahmen der „Sophia“-Mission der EU war das bislang nicht möglich. Die Regierung in Rom reagierte jedenfalls „positiv“ auf eine Anfrage der libyschen Einheitsregierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch – einer von dreien im durch die NATO-Intervention 2011 und vom Bürgerkrieg zerstörten und zerrütteten Land, aber der einzigen, die von der UNO anerkannt ist. In Tripolis gab es danach jedoch zunächst Widerspruch. So vom Chef der Küstenwache: Man sei ein souveräner Staat, der keine ausländischen Streitkräfte auf seinem Territorium wolle.
Die italienischen Kriegsschiffe sollen, gemeinsam mit der libyschen Küstenwache, „vor Ort“ den Weg über das Mittelmeer für die vielen Menschen versperren, die aus ihren Heimatländern vor Krieg, Verfolgung oder bitterer Not geflüchtet sind und jetzt in Libyen unter erbärmlichen Bedingungen leben. Der Einsatz könnte lange dauern und ein wichtiger Schritt zur dauerhaften Präsenz Italiens, der EU und natürlich auch der NATO in libyschen Gewässern und vor der Küste Nordafrikas sein.
Damit werden auch die „Auffanglager“ in Nordafrika, zum Beispiel auch in Libyen, wahrscheinlicher. Auffällig ist, dass zudem seit Wochen der Druck auf Organisationen stärker wird, deren Schiffe im Mittelmeer Geflüchteten Hilfe leisten: Sie sollen jederzeit Kontrollen durch Küstenwache und Polizei auf ihren Schiffen zulassen. Lehnen sie das ab, wird ihnen verwehrt, mit den von ihnen aus Seenot Geretteten die italienische Küste anzulaufen.
Dass EU-Europa derzeit alle Anstrengungen unternimmt, sich „effektiver“ abzuschotten, bestätigt auch das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die große Zahl vom Menschen, die 2015/2016 über die „Balkanroute“ in die EU-Staaten gekommen ist, führte bekanntlich in den betroffenen Ländern teilweise zu einer schwierigen Situation. Die Flüchtlinge wurden aber auch – wie von Kroatien nach Slowenien oder Österreich – weitergeschleust, „strandeten“ an Grenzzäunen wie dem ungarischen, wurden interniert. Deutschland nahm in dieser Situation – trotz des Dublin-III-Abkommens – sehr viele Menschen auf. Der EuGH bescheinigte nun zwar, dass das richtig war, aber auch damals hätte man die Dublin-Regeln einhalten müssen, d. h., die Geflüchteten hätten im ersten EU-Staat (und nur dort), den sie auf ihrem Weg betraten, ihren Asylantrag stellen müssen.
Die Richter interessierte weder das Schicksal der betroffenen Menschen noch die Situation in Ländern wie Kroatien, vor allem aber in Griechenland usw. Die anderen EU-Staaten könnten ja „freiwillig“ helfen. Das ist – mit wenigen Ausnahmen – 2015/16 nicht geschehen. Bislang wurde ja nicht einmal ein EU-Abkommen zur „Verteilung“ der Betroffenen umgesetzt. Nichts geschieht auch im Hinblick auf „die Bekämpfung der Fluchtursachen“. Im Gegenteil. Und so ist dieses Urteil, wie „ProAsyl“ zu Recht meint, eines zu Lasten „der Flüchtlinge und der Staaten an den EU-Außengrenzen“. Doch die EU-Innenminister planen schon ein Dublin-IV-Abkommen, um Einreise- und Asylbedingungen zu verschärfen. Die Rechte der Betroffenen sollen weiter eingeschränkt werden. So könnten dann Menschen viel leichter auch in sogenannte „sichere Drittstaaten“ abgeschoben werden, die sie während ihrer Flucht durchquert hatten. Und nicht nur mit dem ständigen Schüren der Angst vor wachsender Terrorgefahr wird dazu die Stimmung geschaffen.