Verkaufsoffene Sonntage sind ein Versuch diese zum regulären Arbeitstag zu machen

Recht auf sonntägliche Arbeitsruhe

Von Volker Metzroth

Der Kampf um den freien Sonntag spielt eine wichtige Rolle in der Arbeitszeitfrage. Im Gefolge der längeren Ladenöffnungszeiten wurden auch die Geschäfts- und Betriebszeiten anderer Branchen ausgedehnt. Ziel vieler Unternehmern und Politiker ist eine 7-mal-24- Stunden-Gesellschaft, in der einzig das Profitinteresse bestimmt, wann gearbeitet wird. Dagegen regt sich zunehmend auch erfolgreicher Widerstand, zugleich aber gibt es die Versuche, den Sonntag endgültig zum Arbeitstag zu machen.

Am 6. November stimmten bei einem Bürgerentscheid in Münster/Westfalen 52,8 Prozent für den freien Sonntag. Initiatoren waren ver.di, KAB und Kirchen, unterstützt von vielen Organisationen, auch der DKP. Danach wurden geplante sonntägliche Shoppingrummel bis 2019 abgesagt. Zumeist werden Erfolge aber vor Gerichten erkämpft. In Wuppertal und Siegen mussten, wie zuvor in Velbert, am 6. November die Einzelhandelsgeschäfte zu bleiben. Gerichte hatten die Genehmigungen als rechtswidrig kassiert, weil die Kommunen das verfassungsmäßig verankerte Recht auf sonntägliche Arbeitsruhe nicht ausreichend berücksichtigten. In Köln bereitet ver.di derzeit eine Klage vor, falls die für 2017 beantragten Sonntagsöffnungen genehmigt würden.

In Hessen musste Frankfurt zweimal verkaufsoffene Sonntage absagen, u. a. parallel zur Buchmesse, nachdem der Verwaltungsgerichtshof angerufen wurde. Jetzt überlegt die Stadt, wie sie künftige Sonntagsöffnungen mehr an die Rechtslage anpassen könnte. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in mehreren Urteilen festgelegt, dass es für Ausnahmen vom verfassungsunmittelbaren Sonntagsschutz eines Anlasses bedürfe, der für sich mehr Menschen anziehe als die Ladenöffnung, die betroffene Ladenfläche nicht größer als die des eigentlichen Anlasses sein darf und ein räumlicher Zusammenhang bestehen muss. Es reicht nicht aus, wie z. B. in Weiterstadt, ein 480 m² großes Zelt aufzustellen, darin eine „Gesundheitsmesse“ zu veranstalten und dann auf vielen Tausenden Quadratmetern rings um Supermärkte, Discounter und Möbelhäuser zu öffnen.

Die Rechtslage ist bekannt, auch weil in Hessen und Rheinland-Pfalz die Landesallianzen alle Genehmigungsbehörden informierten. Dennoch scheren sich die viele Kommunalverwaltungen nicht darum, solange es keinen Widerstand oder gar Klagen vor Gericht gibt. Den Vogel schoss der Bürgermeister einer hessischen Kleinstadt ab, der die vom Gericht kassierte Allgemeinverfügung einfach erneut erließ. Das Gericht kassierte sie wieder. Leider sieht das Verwaltungsrecht keine Strafen für derartige bewußte Rechtsverletzungen vor.

Die Erfolge machen auch die Gegner des freien Sonntags mobil. Der Chef des Deutschen Handelsverbands, Josef Sanktjohaner, forderte jüngst beim Verbandstag zehn verkaufsoffene Sonntage ohne Bedingungen. Karstadt-Chef Stephan Fanderl setzte da noch einen drauf und wollte zwölf als Einstieg in die generelle Sonntagsöffnung. Der Metro-Konzern drängt schon lange in diese Richtung. Es sind vor Ort zumeist die „Großen“, die sich unter Namen wie „Pro City“ als Vertreter des inhabergeführten Einzelhandels im Kampf gegen den Internethandel aufplustern. Dabei sind es Kaufhof, Media-Markt, C&A usw., die aggressiv für ihren Internethandel werben, REAL z. B. jüngst für einen günstigen Laptop, erhältlich aber nur am Sonntag und online.

In Brandenburg will die SPD-Linke-Regierung statt bisher sechs, bis zu zehn Sonntage erlauben, fünf im ganzen Stadtgebiet und fünf weitere in Teilbereichen. Für das Personal ändere sich nichts, da einzelne Geschäfte nur sechs Mal öffnen dürften. ver.di nennt das einen Kniefall vor den Händlern. Auch in die Richtung der Sanktjohaner und Fanderl geht die Regierung Niedersachsens. Sie will von vier auf fünf erweitern.

2009 hatte das Bundesverfassungsgericht die Rechtslage unterstrichen. Möglicherweise war es deren weit verbreitete Missachtung, weshalb das Gericht am 27. November erneut klare Aussagen machte. Es schränkte zwar den besonderen Schutz des Karfreitags als „stillen Feiertag“ in Bayern ein, wenn es um weltanschauliche, nicht aber um kommerzielle Veranstaltungen geht. „An diesen (Sonn- und Feier-) Tagen soll grundsätzlich die Geschäftigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen kann. Die soziale Bedeutung des Sonn- und Feiertagsschutzes im weltlichen Bereich resultiert wesentlich aus der synchronen Taktung des sozialen Lebens. Dabei verfolgt die Regelung zunächst die weltlich-sozialen Ziele der persönlichen Ruhe, Erholung und Zerstreuung.“ Auf dieser Grundlage lässt sich der freie Sonntag noch besser verteidigen, ob als sozialpolitische Errungenschaft, Geschenk des Himmels oder beides, alle Bündnispartner finden ihr spezifisches Anliegen darin wieder.

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"Recht auf sonntägliche Arbeitsruhe", UZ vom 9. Dezember 2016



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