Realismus und Illusionäres

Von Jürgen Bäumer, Hubert Kniesburges, Reiner Liebau, DKP Ostwes

Der Beitrag zur Strategiedebatte argumentiert gegen die Forderung nach einer Antimonopolistischen Demokratie. Sie sei unter den heutigen internationalen Kräfteverhältnissen kein realistisches Ziel mehr. Aus eben diesem Grund ist diese Orientierung im Programm von 2006 so auch nicht mehr enthalten. Im Unterschied zum Programm von 1978, in dem sie noch detailliert beschrieben worden ist.

Wogegen also richtet sich der Beitrag? Im Parteiprogramm seien „schwammige und teils unmarxistische Formulierungen“ enthalten. Den Nachweis bleiben die Autoren allerdings schuldig. Der Beitrag greift die strategische Orientierung der DKP an, die seit 1978 eine „Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt“ als nächstes Etappenziel benennt. Das geschieht vor dem Hintergrund von Angriffen auf die sozialen und demokratischen Rechte, die aufgrund ungünstiger Kräfteverhältnisse immer schlechter abgewehrt werden können. Das gilt seit der Niederlage des realen Sozialismus in Europa erst recht. Wir befinden uns also in Abwehrkämpfen und müssen in ihnen die Kraft entwickeln, widerstehen zu können, um dann wieder Veränderungen im Interesse der Menschen mit und ohne Job durchsetzen zu können.

Seit dem 19. Parteitag wird vom Parteivorstand diese Orientierung nicht mehr genannt. Der jetzige Beitrag stellt diese Orientierung nun offen in Frage und hält sie für „illusionär“. Was wird als Alternative angeboten? Die Überwindung von NATO und EU in der Form, dass Deutschland aus beiden austritt. Das durchzusetzen wird als Orientierung für die nächste vor uns liegende Etappe vorgeschlagen. Gegen einen u. U. länger andauernden Kampf für antimonopolistische Veränderungen wird ins Feld geführt, dass schon kleine Angriffe auf die monopolistische Verfügungsgewalt deren härtesten Widerstand hervorrufen. Das ist, schauen wir aktuell nach Lateinamerika, völlig richtig. Das gilt aber für die vorgeschlagenen Aufgabenstellungen erst recht. Die Forderung nach einem Austritt aus der NATO ist zwar richtig, ihre Durchsetzung ist aber an eine Reihe von Voraussetzungen gebunden. Ein NATO-Austritt würde nicht nur auf den härtesten Widerstand des deutschen Militär-Industriellen Komplex und aller Träger von Großmachtträumen stoßen, sondern auf den geballten Widerstand der NATO. Ist dieses Bündnis doch auch gegen linke Veränderungen in den Ländern der NATO selbst gerichtet.

Antimonopolistische Forderungen werden in dem Beitrag sogar generell in Frage gestellt. Das u. a. vorgetragene Argument, in kleinen Betrieben könnten antimonopolistische Losungen sogar zu Verwirrung führen, erscheint absurd: Antikapitalistische Forderungen sollten gerade dort eine bessere Grundlage haben? Wer das Bewusstsein der Arbeiterklasse in Betrieben verschiedener Größenordnungen kennt, kann darüber nur den Kopf schütteln. Wer aber die realen Machtverhältnisse zwischen Konzernen und Zulieferern kennt, weiß um die Möglichkeiten antimonopolistischer Forderungen.

Der Hauptgegner sind die Monopole, die heute über mehr Macht denn je verfügen, die dank ihrer supranationalen Struktur über unvergleichlich große Erpressungspotentiale verfügen und mit veränderten Konzernstrukturen und Managementtechniken der Entwicklung von Solidarität innerhalb der Beschäftigten große Hindernisse in den Weg stellen. Dagegen müssen wir einen beharrlichen Kampf um Organisierung, Bündnisarbeit und Schaffung von Bewusstsein führen, was nur in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen geschehen kann. „Damit aber wirklich die ganze Klasse, damit wirklich die breiten Massen der Werktätigen und vom Kapital Unterdrückten zu dieser Position gelangen, dazu ist Propaganda allein, Agitation allein zu wenig. Dazu bedarf es der eigenen politischen Erfahrung der Massen.“ Lenin nannte das „das grundlegende Gesetz aller großen Revolutionen“. Da gibt es keine Abkürzungen. Daher haben wir unser Augenmerk auf die wirklichen Bewegungen zu lenken.

„Originär marxistische Orientierungen“ bestehen nicht aus einem Kanon von Weisheiten, sondern sie müssen stets an aktuellen Entwicklungen und Erfahrungen überprüft und weiterentwickelt werden. Dafür ist eine lebendige Debatte in einer kommunistischen Partei, die mit den Entwicklungen in der Arbeiterklasse und mit gesellschaftlichen Bewegungen eng verbunden und in ihnen verankert ist, unverzichtbar. Marxistische Positionsbestimmung und Bündnisarbeit, Arbeit in Gewerkschaft und Bewegung sind Seiten derselben Medaille. Sie sind dialektisch aufeinander bezogene und zugleich zu lösende Aufgaben.

Die geforderte „verschworene Gemeinschaft mit klaren Zielen“ ist der Weg in eine Art roter Wagenburg, die Flucht aus den schwierigen realen Auseinandersetzungen mit ihren unvermeidlichen Rückschlägen. Eine rote Wohlfühloase wird es aber nicht werden, das zeigt ein Blick auf das Schicksal der K-Gruppen.

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"Realismus und Illusionäres", UZ vom 10. März 2017



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