Führende CDU-Politiker haben im vergangenen Monat an das ungewisse Schicksal der seit sieben Jahren aus Aleppo in Syrien verschleppten Erzbischöfe Mor Gregorios Yohanna Ibrahim (syrisch-orthodox) und Boulos Yazigi (griechisch-orthodox) erinnert und um Unterstützung für die Christen des Landes gebeten. „Die Opfer dieser Verbrechen und ihre Familien verdienen Gerechtigkeit und die Täter müssen nach rechtsstaatlichen Prinzipien zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden“, sagte der Bundesbeauftragte für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel.
Die Entführung der Geistlichen am 22. April 2013 habe „eine tiefe Wunde in das Leben der Christen in Syrien gerissen“, betonte Volker Kauder, in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Religionsfreiheit zuständig. „Die beiden Erzbischöfe gelten als Fürsprecher einer friedlichen Koexistenz der Religionsgemeinschaften in Syrien. Diese Botschaft des Miteinanders und des Friedens ist heute wichtiger denn je. An der Seite der syrisch-orthodoxen und griechisch-orthodoxen Christen in aller Welt erinnern wir uns heute an die Bischöfe und mit ihnen an alle Christen in Syrien, die Opfer von Gewalt und Verfolgung wurden.“ Sein Fraktionskollege Heribert Hirte, Vorsitzender des überkonfessionellen Gesprächsforums Stephanuskreis, das sich für verfolgte Christen einsetzt, erklärte, die betroffenen Glaubensgemeinschaften aus Syrien berichteten bis heute „von ihrem Schmerz, den das ungeklärte Schicksal der beiden Erzbischöfe hinterlassen hat. Wir fühlen mit ihnen.“
Es ist ganz ohne Frage löblich und unterstützenswert, wenn Unionspolitiker an von islamistischen Milizen verschleppte geistliche Würdenträger erinnern, die sich für die Freilassung von Geiseln, Frieden, den interreligiösen Dialog und das friedliche Zusammenleben in Syrien eingesetzt haben. Und doch erwecken die hehren Worte den Eindruck von Heuchelei. Glaubwürdiger wären Grübel, Kauder und Hirte, wenn sie nicht gleichzeitig das Leben der Hunderttausenden Christen in Syrien und der Millionen anderen Bürger des kriegszerstörten Landes durch ihre reale Politik weiter erschweren und deren Leiden durch ihre immer neue Zustimmung zu den einseitigen, völkerrechtswidrigen Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union verschlimmern würden.
Die Christdemokraten hätten für eine politische Kurskorrektur große Unterstützung. Zuletzt hatte Papst Franziskus in seiner Osterbotschaft mit Blick auf die Corona-Pandemie zu internationaler Solidarität aufgerufen und gefordert, kein Staat dürfe bei der Bewältigung der Krise und der Besorgung notwendiger Materialien auf sich gestellt sein. Dazu sollten „auch die internationalen Sanktionen gelockert werden, die es den betreffenden Ländern unmöglich machen, ihre Bürger angemessen zu unterstützen“. Auch Caritas Internationalis, Dachverband von 165 nationalen Caritas-Verbänden, darunter auch der deutsche, nennt die Aufhebung von Sanktionen gegen Länder wie Libanon, Syrien, Jemen und Iran „unabdingbar“. Nur dann könne den Notleidenden dort wirklich geholfen werden.
Die Fraktion „Die Linke“ im Bundestag hat im April einen Antrag auf Aufhebung der Wirtschaftssanktionen in den Bundestag eingebracht (Drucksache 19/18693). Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, „sich auf internationaler Ebene und in der EU für die sofortige Beendigung aller einseitigen Wirtschaftssanktionen, die die jeweilige Bevölkerung treffen, einzusetzen und so den betroffenen Staaten einen effektiven Kampf gegen die Corona-Pandemie zu ermöglichen“.
Sollte sich das Coronavirus in Syrien ausbreiten, könnte dies bei der gesundheitlich stark geschwächten Bevölkerung katastrophale Folgen haben, befürchtet Franziskanerpater Bahjat Elia Karakach, Leiter des Klosters Bab Thouma bei Damaskus. In einem Brief an den Pfaffenhofener Hilfsverein „Freundschaft mit Valjevo“, den die dortige Lokalpresse veröffentlicht hat, dankte er für den Sauerstoffgenerator, den die bayerische Friedensinitiative mit Spendengeldern für das Italienische Krankenhaus in der syrischen Hauptstadt angeschafft hatte. Der Franziskaner erinnerte zugleich an eine wichtige Ursache für die tägliche Gewalt: „Wir haben hier Angst, dass sich dieses Virus verbreitet, weil unser Gesundheitswesen während des jahrelangen Krieges große Schäden erlitten hat. Viele Krankenhäuser wurden von den Terroristen zerstört und die übriggebliebenen reichen schon für die gewöhnlichen Bedarf der Bevölkerung nicht aus, folglich erst recht nicht im Fall einer Pandemie. Das Embargo, das die westlichen Staaten gegen uns verhängt haben, verschärft das Problem. Es verhindert, dass die technische Ausrüstung in den Krankenhäusern erneuert und das Material, das benötigt wird, um Leben zu retten, eingekauft werden kann.“