Am Anfang stand das Versprechen, ja die Verheißung, die Europäische Union (EU) werde den Kontinent vereinen und Frieden und sozialen Fortschritt bringen. Es wurde die Illusion verbreitet, Europa könne unter kapitalistischen Bedingungen zu Einheit, Frieden und Wohlstand gelangen. Was ist daraus geworden?
Vorläufer
Die Vorgänger der EU waren die Montanunion (1951) und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (1957). Schon an deren Entstehung waren sowohl die europäischen als auch die Monopole der USA interessiert. Dafür waren sowohl ökonomische als auch politische Interessen und Ziele maßgebend.
Eine wichtige Triebkraft war der Antikommunismus. In den revolutionären Umgestaltungen in den Staaten Osteuropas, in den verbreiteten revolutionären Stimmungen in den kapitalistischen Staaten Westeuropas und vor allem in der Existenz und dem zunehmenden Einfluss der Sowjetunion sahen die Monopole und ihre Regierungen eine Bedrohung für ihre imperialistische Politik.
Die Vertreter des deutschen Monopolkapitals, die mithilfe vor allem der USA und Britanniens den Zweiten Weltkrieg überlebten, ordneten sich aktiv in diese Front ein. Dazu gehörten auch solche, die schon während der Zeit des Faschismus einflussreiche Posten und Regierungsfunktionen innehatten. Sie machten den US-amerikanischen und britischen Konzernherren und deren Regierungen konkrete Vorschläge, sowohl zu „wirtschaftlich-technischen Aspekten“ als auch die „politische Ebene“ betreffend. Arnold Rechberg, führender Mann des Kalitrusts, stellte schon im Oktober 1945 der US-amerikanischen Militärregierung eine Denkschrift zur Verfügung. Er wurde deutscher Ratgeber dieser Regierung – ein Beispiel für viele andere mehr!
Verweisen muss man auf die Rolle Hjalmar Schachts – Finanz- und Wirtschaftsfachmann sowie Minister in der Hitlerregierung – im Zusammenspiel der deutschen und internationalen Monopole. Im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess wurde Schacht am 1. Oktober 1946 mit drei Stimmen des Westens gegen die des sowjetischen Vertreters freigesprochen. Am 13. Mai 1947 verurteilte ihn ein deutsches Gericht zwar zu acht Jahren Gefängnis, aber schon am nächsten Tag ließen die US-amerikanischen Behörden in Deutschland ihn ins Krankenhaus bringen. Einen Monat später ließen sie verlauten, dass der ehemalige Reichsbankpräsident „einstweilen“ auf freien Fuß gesetzt wurde.
Obwohl er den Status eines Angeklagten hatte, der für die Verbrechen des Naziregimes Mitverantwortung trug, hatte Schacht immer die Möglichkeit, seine Vorstellungen über die Zukunft des deutschen Kapitalismus und über das Zusammenwirken mit den Westmächten zu äußern – und gehört zu werden. Er sah die Zukunft des deutschen Kapitalismus als ein Glied in der Front gegen den Sozialismus. Antikommunismus und Gewerkschaftsfeindlichkeit gehörten zu seinen Lebensmaximen. Sein Buch „Abrechnung mit Hitler“ (1948) schließt mit der Forderung, Deutschland als gleichberechtigten Partner in die „atlantische Völkergemeinschaft“ aufzunehmen: „Deshalb dürfen wir der festen Meinung sein, dass auch die neuesten Opfer, die Deutschland auferlegt worden sind, einen Sinn haben (…). Vor dem Krieg hatte die Welt Deutschlands Zwangslage und sein Suchen nach einem friedlichen Weg zu seiner Selbsterhaltung nicht verstanden. Nach dem Kriege erkennt die Welt, was sie durch eine Vernichtung Deutschlands verlieren würde.“
Schachts Pläne für die Wirtschaft waren noch konkreter. Sie knüpften an den Verhandlungen an, die er schon 1943/44 mit Allen Dulles und anderen US-Vertretern geführt hatte. Sie boten eine „friedliche“ Neuaufteilung entsprechend der Macht in der Welt des Kapitals an. Schacht wollte nicht nur ein „vereinigtes Europa“, sondern legte – in Kenntnis der amerikanischen Ziele – die Idee „einer einzigen Welt“ vor. In der Schweizer Zeitung „Die Weltwoche“ schrieb er 1948: „Ein führender amerikanischer Einfluss bei entsprechender Kapitalinvestierung in die europäische Industrie würde einen wesentlichen Schritt auf eine einheitliche Weltwirtschaft unter einheitlicher Führung bedeuten.“
Und Schacht war nur ein – wenn auch sehr wichtiger – Sprecher des deutschen Kapitals. Gefährten auf dem Weg der Spaltung Deutschlands und seiner Integration in die Bündnisse des internationalen Kapitals waren Hermann Josef Abs, Robert Pferdmenges, der ehemalige Reichskanzler Heinrich Brüning und nicht zuletzt Konrad Adenauer und Ludwig Erhard. Ihr gemeinsames Anliegen war die Rettung der Macht des Kapitals und seine internationale Expansion auf der Grundlage des Antisowjetismus und Antikommunismus sowie des Neokolonialismus.
Deutsches Konzept heute
Die politische Union war und ist ein konstantes Ziel in der Europapolitik aller bisherigen Regierungen der BRD. Dieses Ziel wurde in einzelnen Perioden mit unterschiedlicher Intensität verfolgt, aber nie aufgegeben. In den letzten Jahren wurde jedoch eine neue Akzentuierung eingeführt. Man ist bestrebt, den deutschen Anspruch zu fundieren, wonach die „bisherige europäische Ordnungsmacht Amerika“ zu ersetzen sei. Verkündet wurde das „deutsche Interesse“ an einem „wirtschaftlich und politisch leistungsfähigen Großraum“ mit einem Hinterhof, der bis nach Zentralasien und in den Nahen Osten reicht. Deutschland habe ein „legitimes Interesse an seiner dauerhaften und festen Einbindung in einen wirtschaftlich und politisch leistungsfähigen Großraum, der anderen Weltregionen vergleichbar ist“. Überdies müsse es als größter und wirtschaftlich stärkster europäischer Staat „in vorderster Linie“ für ein Europa eintreten, das in der Lage sei, sich „gegen äußere wirtschaftliche, politische und gegebenenfalls auch militärische Pressionen zu wehren“.
In einer SPD-Denkschrift über „Grundwerte für eine gerechte Weltordnung“ wird der angestrebte „Großraum“ wie folgt umrissen: „Um West- und Mitteleuropa, das sich als integrierte Weltregion etabliert, liegen in einem Halbkreis von Ost nach Süd Russland, die früher mit der Sowjetunion verbundenen Republiken Weißrussland, Ukraine und Moldawien sowie Transkaukasien und Zentralasien, die Türkei und die Länder des Nahen Ostens und des Mittelmeeres.“
Die Rolle der EU wird dabei wie folgt gesehen: „Deutschland muss dafür eintreten, dass Europa zu seinen Nachbarn eine besonders intensive, konstruktive und dauerhafte Partnerschaft aufbaut, welche die Lösung der sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen und politischen Probleme der europäischen Nachbarschaft nicht – wie bisher – vorwiegend den Vereinigten Staaten überlässt.“
Aus der Sicht Deutschlands (gemeint ist das Deutschland der Monopole) gehe es heute um die Grundentscheidung, ob die „großen westlichen Nationen“ sich weiterhin der Führung der USA unterwürfen, was eine „instabile“ und nicht annehmbare Ordnung bedeute, oder durch die Weiterentwicklung eigener Machtmittel eine nach den eigenen Interessen definierte „globale politische Ordnung“ durchsetzen. Der „europäische Raum“ müsse vor allem durch präventive Maßnahmen geschützt werden – das schließe „rechtzeitige präventive Intervention“ weltweit ein.
Geschichte und Politik der EU demonstrieren, dass durch diese multilaterale kapitalistische Staatenorganisation weder die Widersprüche innerhalb der kapitalistischen Staaten noch die zwischen ihnen gelöst werden können. Die Gründung und Entwicklung der EU selbst wurde zur Quelle von Widersprüchen!