„Drum prüfe, wer sich ewig bindet“, wie Friedrich Schiller im „Lied der Glocke“ riet, nicht nur, „ob sich das Herz zum Herzen findet“, sondern, ob die Ehe einem Grund entspringt, der nicht nur die Seele, sondern die freiheitliche demokratische Grundordnung ins Verderben stürzt.
Die Rede ist von bandenmäßig organisierten Scheinehen. In der vergangenen Woche führte die Polizei in 27 Orten in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen Razzien durch. Schwerpunkte waren das sächsische Eilenburg und Hettstedt in Sachsen-Anhalt. 34 Personen, darunter drei Hauptverdächtige aus Indien und Pakistan, werden beschuldigt, auf Zypern Ehen zwischen osteuropäischen Frauen und Männern aus Indien und Pakistan vermittelt zu haben, für die in Dänemark Heiratsurkunden, Meldebescheinigungen und Arbeitserlaubnisse beschafft wurden. Damit sei den Getrauten ein Aufenthalt in Deutschland ermöglicht worden, wogegen die Staatsanwaltschaft Leipzig seit 2017 ermittelte. So berichteten der „Focus“, die „Sächsische Zeitung“ oder die „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ).
Auch in Norddeutschland und Dänemark sind zwölf Häuser durchsucht worden, um gegen fünf Menschen zu ermitteln, denen vorgeworfen wird bis zu 1 000 Scheinehen über das Nachbarland vermittelt zu haben. Und wen das noch nicht gruselt, der sei daran erinnert, dass erst im Mai in Berlin zwei Vietnamesen und eine Frau aus Deutschland verhaftet wurden, weil sie das illegale Heiratsgeschäft bandenmäßig betrieben haben sollen. Von vermeintlichen Schleusern, gegen die u. a. im Mai in Norddeutschland in einer Razzia mit 800 Beamten vorgegangen worden ist, sei dabei noch nicht gesprochen.
Mit solchen Formen von Kriminalität ist es wie zur Zeit der Kontinentalsperre unter Napoleon oder der Prohibition in den USA: Wo die Bewegung von Menschen und Waren durch Gesetze unterbrochen wird, entsteht das Geschäft mit deren Unterwanderung. Auch EU und Bundesregierung erweisen sich dabei als verlässliche Partner: Denn je höher die Hürden einer legale Einreise sind, desto höher steigen Nachfrage und Preis für eine illegale. Und man braucht kein Politikökonom zu sein, um nachzuvollziehen, warum gerade sozial Benachteiligte, wie Arbeitslose oder Menschen aus Osteuropa, sich für 3 000 bis 10 000 Euro als Partner von Scheinehen zur Verfügung stellen.
Dem öffentlichen Entsetzen zum Trotz: Dem Staat kommt das gerade recht. Es ist offensichtlich, wie durch Großrazzien Hysterie und Angst geschürt werden, um ein Klima zu schaffen, in dem die Verschärfung von Polizeigesetzen ohne Widerspruch vollzogen werden kann. Die Botschaft lautet: Gegen den „Raum der Angst“, wie die Polizeigewerkschaft laut LVZ den Leipziger Hauptbahnhof bezeichnet – wegen der dortigen Drogenkriminalität –, helfen nur Maschinengewehre, öffentliche Überwachung und die vollständige Durchleuchtung der Bürger.
Verhältnismäßig ist das nicht: Fast regelmäßig erschießen Polizisten mittlerweile Menschen, wie im April in Fulda oder im Juni in Bremen, oder von Naziterrorgruppen, die den Schutz staatlicher Behörden genießen. Nur der deutsche Michel, der seine acht bis zehn Stunden in der Woche für Mindestlohn schuftet, soll sein Mütchen daran kühlen, dass hier kein Syrer oder Eritreer illegal leben darf, mit oder ohne Trauschein. Bedroht wird er mehr durch Lohndumping und Leiharbeit als durch 1 000 Scheinehen.