Kaum wird nach der Kurzarbeit bei Daimler schrittweise die Produktion hochgefahren, gerät der Konzern gleich in die Schlagzeilen. Laut „Stuttgarter Nachrichten“ existiert bei Daimler ein internes Papier, das die Führungskräfte schulen soll, wie sie Beschäftigte unter Druck setzen, den Konzern zu verlassen. Mit diesen Vorgaben soll dafür gesorgt werden, dass Daimler in der Lage ist, den im Herbst angekündigten Abbau von über 10.000 Stellen umzusetzen.
In der „Stuttgarter Zeitung“ heißt es dazu, dass der Stuttgarter Daimler-Konzern seine Führungskräfte auf harte Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern vorbereite. In einem internen Papier werden die Führungskräfte demnach aufgefordert, die Trennungsabsicht unmissverständlich zu kommunizieren und „jeden Eindruck zu vermeiden, dass es noch einen Spielraum für Verhandlungen gebe“. Die Gespräche sollen schnell durchgezogen werden und seien „möglichst nach 15, spätestens aber nach 30 Minuten“ zu beenden. Wer stur bleibe, solle vermittelt werden, dass sich „alles für dich verändert. Dann musst du in Zukunft sehen, wie du mit dieser Unsicherheit im beruflichen Umfeld umgehen kannst.“ Es sind heftige Drohkulissen, die der Daimler-Vorstand hier aufbaut.
Der Gesamtbetriebsrat scheint dieses Papier nicht zu kennen. Er wurde von dem Zeitungsbericht überrascht. In einer Stellungnahme dazu heißt es: „Durch Druckaufbau wird eine rote Linie übertreten (…). Wir lassen es nicht zu, dass die Corona-Krise zu einer Vertrauenskrise bei Daimler wird (…). Daher fordern wir den Vorstand auf, die Unterlagen entsprechend anzupassen und sich zu einem fairen Umgang miteinander zu bekennen.“ Er verweist auf die Zukunftssicherung 2029, die betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausschließt, und auf die Gesamtbetriebsvereinbarung „Move“, dass bei Ausscheidungen eine doppelte Freiwilligkeit gilt.
Die Betriebszeitung „Scheibenwischer“ des Betriebsrates vom Werk Untertürkheim stellt klar: „Niemand darf gezwungen werden, das Unternehmen gegen seinen Willen zu verlassen! (…) Sollte sich herausstellen, dass die Vorwürfe stimmen, (…) fordern wir den Vorstandsvorsitzenden Ola Källenius dazu auf, dies sofort zu unterbinden.“
Die Kolleginnen und Kollegen bei Daimler sollen massiv unter Druck gesetzt und verunsichert werden. Erste Reaktionen der Kollegen waren: „Riesensauerei“, „ungeheuerlich“, „Sollen sich doch die Chefs selber ans Fließband stellen und schuften, schuften, schuften“, „den Unternehmen kann man nur so weit trauen, wie man einen Elefanten werfen kann“. Es gab Aussagen, dass sich die Vorstände schon des Öfteren nicht an Vereinbarungen halten wollten wie bei Lohnfortzahlung und Erholzeitpausen, dass sie immer Druck brauchen, um wieder zurückzurudern, dass es da genug Erfahrungen gibt.