Raus aus der Zwickmühle

Christoph Hentschel im Gespräch mit Patrik Köbele

UZ: Die Parteiführung der DKP wird von links und von rechts kritisiert. In den letzten Wochen haben Genossinnen und Genossen aus beiden Lagern die Partei verlassen. Im Vorfeld habt ihr viele Gespräche geführt, auch mit den jetzt Ausgetretenen. Was habt ihr versucht, um die Austritte zu verhindern? Oder ging es euch gar nicht darum?

Patrik Köbele: Es ist um jede Genossin, um jeden Genossen schade, die oder der die Partei verlässt. Unterschiedliche Meinungen oder Kritik am Parteivorstand sind kein Grund die DKP zu verlassen. Die Gemeinsamkeit überwiegt, wenn das Ziel der Sozialismus und die Notwendigkeit der revolutionären Überwindung des Kapitalismus, die Notwendigkeit einer kommunistischen Partei mit einer wissenschaftlichen Weltanschauung geteilt werden. In diesem Sinne haben wir um die Genossinnen und Genossen gerungen und haben den Kampf bei einer Reihe von Genossinnen und Genossen verloren.

Wir haben mit den Genossinnen und Genossen vor allem darüber diskutiert, dass für eine kommunistische Partei das gemeinsame Handeln unverzichtbar ist und haben auch gesagt, dass sie Grenzen überschreiten, wenn sie dieses gemeinsame Handeln verlassen.

Das hat letztlich zu der Auflösung der Bezirksorganisation Südbayern geführt. Wir haben damit eine Struktur der Partei aufgelöst, die sich nicht mehr an Parteitagsbeschlüsse gehalten, das gemeinsame Handeln aufgekündigt hat und somit keine Struktur mehr der Partei war. Wir haben damit nicht ein Mitglied der DKP ausgeschlossen.

Dieser Beschluss des Parteivorstandes war sicher ein zentraler Anlass für diese Genossinnen und Genossen, die Partei zu verlassen. Ich denke aber, es ist nicht nur eine Reaktion auf den Beschluss, sondern die Genossinnen und Genossen sind zu der Auffassung gekommen, dass es zu wenig Grundübereinstimmung in wirklich zentralen inhaltlichen Fragen, aber auch in der Frage des gemeinsamen Handelns gab und haben ihre Konsequenz gezogen.

UZ: Haben die Südbayern dem Parteivorstand tatsächlich Beiträge vorenthalten, die nach dem Statut dem Parteivorstand gehören?

Patrik Köbele: Sie hatten es beschlossen, ob sie es auch getan haben werden wir erst nach Übernahme und Prüfung der Kasse sagen können.

UZ: Die Auseinandersetzung mit dem Bezirk Südbayern gab es schon seit dem 20. Parteitag. Warum hat der Parteivorstand nicht früher reagiert?

Patrik Köbele: Wir werden doch gerade kritisiert, weil wir überhaupt reagiert haben…

UZ: Es gab aber auch Stimmen aus der Partei, die sich fragten, warum können die der Partei auf der Nase rumtanzen, wie sie wollen, die Partei öffentlich schädigen, und nichts passiert.

Patrik Köbele: Ja, in dieser Zwickmühle war der Parteivorstand permanent. Wenn er nicht handelt, dann weiten diejenigen, die fraktionelle Tätigkeit betreiben, ihren Spielraum aus. Wenn er handelt, dann administriert er. Wir wollten so lange wie möglich den Kampf darum führen, dass wir die Situation in dem Sinne überwinden, dass Parallelstrukturen wie das sogenannte Kommunistische Netzwerk überflüssig werden und wir zurückkehren zum gemeinsamen Handeln.

Auf der anderen Seite hatten wir einen eindeutigen Parteitagsbeschluss, der uns verpflichtet hat, bis zum Ende des vergangenen Jahres zu handeln. Den haben wir überdehnt und noch mal eine Gesprächsoffensive gestartet. Mit der Bezirksorganisation Südbayern sahen wir danach allerdings keinen Ansatz mehr, weder im Verhältnis zur Gesamtpartei, noch zu den Mitgliedern in Südbayern, die entsprechend den Parteitagsbeschlüssen arbeiten wollten. Deswegen haben wir dann gehandelt – dem Parteitagsbeschluss nach zu spät.

UZ: Hat es Gespräche auch mit den Kritikern von links gegeben?

Patrik Köbele: Mit den Genossinnen und Genossen, die uns jetzt verlassen haben, weil sie kritisieren, dass wir an der antimonopolistischen Strategie der Partei festhalten, haben wir vor allem in Bezirken und Grundorganisationen das Gespräche gesucht – oder es zumindest versucht. Wir haben auch vom Sekretariat des Parteivorstandes versucht mit einzelnen Genossen ins Gespräch zu kommen. Aber das war wohl tatsächlich zu spät. Uns war nicht bewusst wie weit fortgeschritten und zum Teil abgeschlossen ihr Diskussionsprozess war.

Heute wissen wir, dass das offensichtlich ein geplanter Prozess war, auf dessen Zeitschiene wir wenig Einfluss hatten. Offensichtlich war er auch dadurch getrieben, dass man sich noch in diesem Jahr treffen wollte, um die Grundlagen für eine eigene bundesweiter Struktur zu legen. Die Ergebnisse kennen wir noch nicht. Wir waren von der Schnelligkeit überrascht und auch enttäuscht, weil wir natürlich gedacht haben, dass man den Zeitraum der Debatte bis zum Parteitag ernsthaft nutzt. Damit hätte man ja auch eine gewisse notwendige Wertschätzung dieses höchsten Souveräns der Partei zum Ausdruck gebracht. Was jetzt passiert ist eine Missachtung der innerparteilichen Demokratie.

Mich wundert, dass sie die Partei im Vorfeld des Parteitages verlassen haben, der genau die Frage der Strategie zum Thema hat. Der Parteitag ist das höchste Gremium, wo man solche inhaltlichen Debatten zu einem vorläufigen Zwischenstand bringt. Ein Parteitagsbeschluss zur Strategie der Partei bedeutet aber nicht das Ende der Diskussion.

UZ: Die Kritik von links heißt, dass der Leitantrag ein Zugeständnis an die Rechten in der Partei wäre. Stimmt das?

Patrik Köbele: Nein, das stimmt nicht, und die Genossen dokumentieren das eigentlich selber. Ein Vorwurf, den sie mir persönlich in einem ihrer Papiere machen lautet, dass ich seit 1989 an der grundsätzlichen Strategie der DKP festgehalten habe, nämlich an der antimonopolistischen Strategie. Da haben sie recht.

Aus unserer Sicht haben der 20. und 21. Parteitag den grundsätzlichen Charakter der Partei als kommunistische Partei, als marxistisch-leninistische Partei bekräftigt. Da ist es konsequent jetzt zu präzisieren, wie unsere Strategie zum Sozialismus ist. Ohne eine überzeugende Antwort können wir unsere Verankerung in der Arbeiterklasse nicht verbessern. Das ist kein Zugeständnis, es ist eine Notwendigkeit für die kommunistische Partei.

UZ: Der Parteivorstand der DKP hat an den 22. Parteitag einen Antrag zur Unvereinbarkeit mit dem Kommunistischen Netzwerk gestellt. Die SPD und Gewerkschaften haben Unvereinbarkeitsbeschlüsse benutzt, um Linke rauszuschmeißen. Ist ein Unvereinbarkeitsbeschluss für eine Kommunistische Partei ein geeignetes Mittel, um den gegenwärtigen Konflikt zu lösen?

Patrik Köbele: Ein Unvereinbarkeitsbeschluss ist keine schöne Sache. Seit dem 20. Parteitag, also seit fast fünf Jahren, haben wir es damit zu tun, dass sich eine Fraktion in der DKP herausgebildet hat. Das widerspricht unserem Selbstverständnis. Mit diesen Genossinnen und Genossen haben wir Gespräche gesucht und hatten zeitweise Hoffnungen, dass es die gemeinsame Sichtweise darauf gibt, dass diese Situation überwunden werden muss. Leider haben sich diese Hoffnungen nicht bestätigt. Der 21. Parteitag hat uns dann, wie eben geschildert, den klaren Auftrag gegeben, diese Situation zu beenden. Neben dem Beschluss zu Südbayern ist auch der Antrag an den 22. Parteitag zur Unvereinbarkeit Ergebnis dieses Prozesses.

Wir haben aber immer wieder gesagt und wiederholen das auch jetzt, wenn es die Bereitschaft gibt, diese Situation zu überwinden, dann werden wir dem Parteitag sagen, dass wir den Unvereinbarkeitsbeschluss nicht brauchen.

UZ: Das Statut der DKP sieht keinen Unvereinbarkeitsbeschluss vor, sondern parteischädigendes Verhalten, welches individuell zu entscheiden wäre.

Patrik Köbele: Die Unvereinbarkeit ist kein statutarisches, sie ist ein politisches Mittel. Wir sind nicht die erste Parteiführung, die damit arbeitet. Die letzte Parteiführung hat einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die sogenannte Kommunistische Initiative gefasst. Der ist im Parteivorstand gefasst worden. Wir fragen jetzt das höchste Gremium der Partei, den Parteitag.

Wenn die Delegierten mehrheitlich diesen Beschluss fassen, ist damit noch nicht ein einziges Mitglied von irgendwelchen Maßnahmen betroffen. Es gibt dann eine politische Grundlage dafür, dass Gliederungen der Partei, die nach dem Statut antragsberechtigt sind, Parteiordnungsverfahren gegen Genossinnen und Genossen beantragen können, wenn sie meinen, dass die Tätigkeit für das Netzwerk parteischädigend ist.

UZ: Warum geht ihr gegen das Kommunistische Netzwerk vor und nicht aber gegen die Marxistische Linke?

Patrik Köbele: Die Marxistische Linke sagt von sich selbst, dass sie eine Struktur außerhalb der DKP ist. Formal haben wir damit nichts zu tun …

UZ: Einige, die in Südbayern ausgetreten sind, haben erklärt, die Marxistische Linke sei ihre neue Heimat. Tom Talsky, stellvertretender Kreisvorsitzender der DKP, berichtete (UZ-Interview vom 1.12.2017), dass sie 4 000 Euro vom Parteivermögen als „Startkapital“ mitgenommen haben.

Patrik Köbele: Dieses Mitnehmen von Geld ist ein Skandal und unwürdig für Kommunisten, ändert aber nichts daran, dass die Marxistische Linke eine Organisation außerhalb der DKP ist.

Das Kommunistische Netzwerk bezeichnet sich selbst als eine Struktur innerhalb der DKP. Es ist durch keine Leitung, kein Gremium der DKP dazu berechtigt worden und ist damit eindeutig eine Fraktion innerhalb der DKP.

UZ: Gehen wir kurz in die Vergangenheit. Mit der „Theorie und Praxis“ (T&P) und auch mit eurem Verhalten vor dem 20. Parteitag – du warst ja selber Mitherausgeber der T&P – war das nicht auch eine fraktionelle Tätigkeit, die ihr ausgeübt habt?

Patrik Köbele: Der wichtige Unterschied ist, dass wir immer die Einheit des Handelns akzeptiert und für uns auch als Maß gesehen haben. Das heißt, wir haben auch Beschlüsse der Partei, mit denen wir nicht einverstanden waren, mit umgesetzt. Das ist der erste Unterschied …

UZ: Das Netzwerk setzt Beschlüsse der Partei nicht um?

Patrik Köbele: Das Netzwerk hält sich an keine Beschlüsse der Partei und setzt sie nicht um. Bei Mitgliedern des Netzwerks ist das unterschiedlich. Manche bringen sich in die Diskussion der Partei ein, setzen Beschlüsse mit um, das ist gut. Andere tun das nicht.

Das Netzwerk führt nichtöffentliche Beratungen durch, hat eine eigene Homepage und eine eigene Disziplin und mit dem „Offenen Brief“ eine Plattform. Damit sind alle Kriterien einer Fraktion erfüllt. Da muss sich doch jeder Genosse, der zu den Grundprinzipien der Partei steht, selber mal fragen, ob er da richtig ist. Es entwickelt sich eine Dynamik, bei der das Verhältnis zum Netzwerk für die Genossinnen und Genossen, die sich ihm zugehörig fühlen, immer wichtiger wird und das Verhältnis zur Partei immer unwichtiger. Diese Dynamik kann man nur stoppen, indem diese Struktur überwunden und zurück in die Partei geführt wird.

UZ: Findet das 20. UZ-Pressefest 2018 statt oder ist es durch die Parteiauseinandersetzung gefährdet?

Patrik Köbele: Mein Eindruck ist, dass es neben Verunsicherung und Befürchtungen in der Partei auch ein sich entwickelndes Ringen darum gibt, wie wir den Trend zu mehr Aktivitäten, zum stärkeren Eingreifen der Partei fortsetzen können. Damit will ich die Situation nicht beschönigen, aber auch auf andere Stimmungen hinweisen.

Wir haben jetzt die Bezirkskonferenzen der Partei in Vorbereitung des Parteitages hinter uns. Sie haben sich auch mit der Parteiauseinandersetzung befasst. Aber das war bei weitem nicht der Tenor, der die Konferenzen geprägt hat. Was die Bezirkskonferenzen meist geprägt hat, war ein Rückblick auf die gestiegenen Aktivitäten der Partei und der Ausblick auf die kommenden Aufgaben. Bei manchen Bezirkskonferenzen konnte sogar von einem kleinen Nettowachstum der Mitgliederzahl berichtet werden. Wir beobachten, dass zunehmend junge Genossinnen und Genossen Verantwortung übernehmen – oder übernehmen müssen. Sie tun das mit großem Elan.

Insofern kann ich die Frage nur so beantworten: Natürlich werden wir das Pressefest durchführen. Und ich bin optimistisch, dass wir es mit großer Ausstrahlung durchführen werden. Und vielleicht können wir auch eine ganze Reihe von Genossinnen und Genossen, die jetzt ausgetreten sind, zumindest als Gäste auf diesem Pressefest begrüßen. Ich würde mich freuen.

Das Pressefest 2018, das wird auch unsere Geburtstagsfeier 50 Jahre DKP und 100 Jahre KPD sein, und diese Geburtstage, die sind auch eine Verpflichtung. Und ich glaube, das spüren eigentlich alle Genossinnen und Genossen. In der Partei herrscht vorwiegend kein Pessimismus, sondern sogar ein leichter Optimismus. Keine Euphorie, die wäre auch falsch, aber auch nicht eine Situation, dass die Genossinnen und Genossen jetzt meinen, man müsste die Flinte ins Korn werfen. Eher umgekehrt.

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"Raus aus der Zwickmühle", UZ vom 22. Dezember 2017



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