Mesut Özil scheidet aus der Fußball-Nationalmannschaft aus

Raus aus der Volksgemeinschaft

Von Leo und Mark, München

Erschienen in der neuen Ausgabe der Position (3/18), Magazin der SDAJ. Zu bestellen als Abo für 10 Euro bei uzshop.de.

Mesut Özil war ein Star. Er war Nationalspieler des Jahres 2011, 2012, 2013, 2015, 2016 und bekam den Integrations-Bambi 2010. Nun ist er gefallen und zurückgetreten. Denn ein Foto von ihm mit dem türkischen Präsidenten Erdogan machte seine Beliebtheit zunichte. Das Treffen mit dem Diktator wurde in der Öffentlichkeit scharf kritisiert. Als dann die deutsche Fußballmannschaft mit einem Vorrunden-Aus in der WM eine historische Niederlage erlitt, war die Karriere von Özil endgültig vorbei. Ein Sündenbock musste her und die Wahl fiel auf Özil, den illoyalen Türken, denn Deutscher war er jetzt auf einmal nicht mehr. Özil erging es wie so vielen Fußballern mit Migrationshintergrund: Wenn sie gut spielen und sich korrekt verhalten sind sie Helden und Teil der Nation, wenn es mal nicht gut läuft, dann war’s das und sie sind wieder die Migranten, Ausländer, Schwarzköpfe und Kanaken.

Die Doppelmoral hinter der Aufregung

Sicher, Özil ist keiner von uns, er ist ein Millionär. An seinen Treffen mit Erdogan gibt es nichts schönzureden. Özil traf sich bereits mehrmals mit Erdogan (2011, 2012, 2016), doch damals interessierte das schlichtweg niemanden. Dass jetzt ausgerechnet Vertreter des DFB oder der Bundesregierung die Moralkeule schwingen, ist zynisch. Fotos mit Erdogan sind für die Bundesregierung Peanuts. Merkel und Co. spielen in einer ganz anderen Liga: Politische Unterstützung für Erdogan, Verfolgung türkischer Oppositioneller in Deutschland oder Waffendeals. Auch tausend Treffen zwischen Özil und Erdogan können nicht das Leid hervorbringen, das deutsche Panzer in Afrin und Flüchtlingsdeals zwischen deutscher und türkischer Regierung verursachen.

Gescheiterte Integration?

Auch der DFB ist keine moralische Instanz. Weltmeisterschaft 2022 im Sklavenhalterstaat Katar und ein Präsident Reinhard Grindel, der zuvor für die CDU im Bundestag saß. Özil hält ihm entgegen: „Von Ihnen, Herr Grindel, bin ich enttäuscht, aber nicht überrascht. Als Sie 2004 im Bundestag saßen, behaupteten Sie, dass ‚Mulit-Kulti ein Mythos und eine Lebenslüge‘ ist, während Sie gegen die doppelte Staatsbürgerschaft stimmten sowie gegen Strafe wegen Bestechung. Außerdem sagten Sie, dass die islamische Kultur in vielen deutschen Städten zu sehr Wurzeln geschlagen habe.“ Im Falle Özil sind es letztlich die gleichen Spaltungsmechanismen, die uns und unsere migrantischen KollegInnen und MitschülerInnen immer wieder aufs Neue betreffen. Özil ist weniger ein bedauernswerter Einzelfall, sondern vielmehr Sinnbild für die heutigen Verhältnisse und den in Deutschland herrschenden Alltagsrassismus.

Gemeinsam gegen Rassismus

Dieser Rassismus, der in Deutsche und Ausländer einteilt und gegeneinander ausspielt sowie die Integration für tot erklärt, ist nicht neu und er ist auch seit mehreren Jahren bestens etabliert. Den Anfang machte 2010 ein Thilo Sarrazin (SPD) mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“. Sarrazins Thesen sind längst im Mainstream angekommen und sie bestimmen heutzutage in weiten Teilen die politische Diskussion. Diese Hetze gilt es zu brechen, denn egal, ob man seit einer oder zwanzig Generationen in Deutschland lebt: Mit seinen KollegInnen hat man weit mehr gemeinsame Interessen, als man es mit den Herrschenden je haben könnte.

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"Raus aus der Volksgemeinschaft", UZ vom 3. August 2018



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