Die chinesische Sonde „Chang‘e 4“ ist erfolgreich auf der Mondrückseite gelandet

Raumfahrtpremiere

Von Nina Hager

Die Rückseite des Mondes: Links oben das Mare Moscoviense, links unten der dunkle Krater Tsiolkovskiy, im unteren Bilddrittel die fleckige große Beckenregion von Mare Ingenii, Leibnitz, Apollo und Poincaré.

Die Rückseite des Mondes: Links oben das Mare Moscoviense, links unten der dunkle Krater Tsiolkovskiy, im unteren Bilddrittel die fleckige große Beckenregion von Mare Ingenii, Leibnitz, Apollo und Poincaré.

( Gemeinfrei)

Vor etwas mehr als acht Jahren hatte die „Frankfurter Allgemeine“ am 29. September 2011 noch überheblich behauptet, China müsse in der Raumfahrt nach wie vor mit Schwellenländern wie dem Nachbarn Indien konkurrieren. Das Land habe auf diesem Gebiet de facto ein Niveau erreicht wie die USA und die UdSSR bereits in den 60er Jahren. Ob man das in der Redaktion jetzt anders sieht? Anfang dieses Jahres landete nämlich zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt mit „Chang‘e 4“ eine Raumsonde erfolgreich auf der Rückseite unseres Mondes. Und die war, auch wenn Forscher aus anderen Ländern – so aus den Niederlanden, aus Deutschland – an der Mission beteiligt sind, in China geplant, gebaut und gestartet worden: Eine „Spitzenleistung“. China war mit „Chang’e 3“ erstmals 2013 eine Landung auf der uns zugewandten Seite des Mondes gelungen. Jetzt folgte der nächste Schritt.

Erste Missionen sowjetischer sowie US-amerikanischer Sonden zum Mond scheiterten 1958/59 bereits kurz nach dem Start. 1959 zerschellte „Luna 2“ auf dem Mond. Die erste weiche Mondlandung gelang 1966 der sowjetischen Sonde „Luna 9“. 1969 betraten mit den US-Astronauten Neil Armstrong und Buzz Aldrin erstmals Menschen den Erdtrabanten („Apollo 11“). Nach 1972 gab es zwar keine bemannten Missionen mehr zum Mond, aber der Mond ist seit einer Reihe von Jahren wieder verstärkt Ziel von Raumfahrtunternehmungen. Mittlerweile haben auch die ESA, Japan, Indien, vor allem aber China Sonden zum Mond entsandt. Man spricht seit einigen Jahren, auch angesichts nicht nur von den USA vorgesehener neuer bemannter Missionen zu unserem Erdtrabanten, gar von einem neuen „Wettlauf zum Mond“ – unter anderem als Bestandteil eines umfassenderen „technologischen Wettkampfes“.

Von der Mondrückseite war bislang jedoch wenig bekannt. Die sowjetische Sonde Lunik 3 lieferte zwar bereits 1959 erste Bilder, eine Landung auf der von uns abgewandten Seite des Erdtrabanten gab es in den vergangenen Jahrzehnten jedoch nicht. Doch schon die noch sehr unscharfen Aufnahmen von 1959 zeigten Besonderheiten: weniger dunkle Gebiete, weniger Mondgebirge und -rillen als auf der der Erde zugewandten Seite unseres Trabanten. Die genauesten Karten der Mondrückseite stammen aus den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Jetzt ist es erstmals möglich, die Rückseite unseres Mondes „direkt vor Ort“ zu untersuchen: Das Landemodul „Chang‘e 4“ setzte mit einem Rover an Bord am 3. Januar weich auf der erdabgewandten Seite des Mondes im Von-Kármán-Krater auf. Dieser liegt in einer von zahlreichen Meteoriteneinschlägen geprägten Tiefebene – dem Südpol-Aitken-Becken –, die als der älteste und größte Krater auf dem Mond gilt. Planetenforscher nahmen und nehmen an, dass es hier, auf der Mondrückseite, anders als auf der uns zugewandten Seite des Mondes, deren viele Krater und „Meere“ vor vier Milliarden Jahren durch massive Einschläge „geformt“ wurden, keine solch gewaltigen Veränderungen gegeben hat. Sie erhoffen sich von der erfolgreichen Landung im Von-Kármán-Krater ohne aufwendige Bohrungen etwas mehr über die Geschichte und das Innere des Mondes zu erfahren. Der Rover („Jadehase 2“) ist jedenfalls schon unterwegs. Gewiss werden die Untersuchungen auch Aufschluss über vorhandene Bodenschätze geben. Die Mondrückseite ist zudem auch für Astronomen von großem Interesse: Hier würden künftig Beobachtungen des Weltraums weder durch die Helligkeit der nahen Erde noch durch die von ihr ständig ausgehenden Radiowellen gestört werden.

Übrigens: Um die Signale des unbemannten chinesischen Landemoduls zur Erde zu funken, hatte die China National Space Administration (CNSA) bereits im Mai einen Übertragungssatelliten gestartet und durch komplizierte Flugmanöver so hinter den Mond gebracht, dass seine Signale sowohl dessen erdabgewandte Seite als auch die Erde erreichen. Schon das war eine außergewöhnliche Leistung, überrascht aber nicht, wenn man daran denkt, was mittlerweile in Bezug auf Antriebstechnik und Flugsteuerung möglich ist. Gemeinsam mit dem „Queqiao“ („Elsternbrücke“) genannten Satelliten wurden zwei Mikrosatelliten gestartet. Doch nur einer von ihnen, „Longjiang-2“ („Drachenfluss“), erreichte den Mondorbit und untersucht nun den Kosmos bei sehr niedrigen Frequenzen (1 MHz bis 30 MHz). Das ist von der Erde aus wegen der Ionosphäre nicht möglich.

2019 und 2020 sollen zwei weitere chinesische Sonden auf dem Mond landen und von dort Gestein zur Erde bringen. 2030 will China eine bemannte Mission zum Mond entsenden. Offenbar ist zudem geplant, nach 2030 eine bemannte Mondstation in der Nähe des Mondsüdpols zu errichten.

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"Raumfahrtpremiere", UZ vom 11. Januar 2019



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