Nichts ist vergessen in Solingen

Rassistische Morde

Von Walter Herbster

Solingen stand in den letzten Maitagen im Zeichen des 25. Jahrestages des Brandanschlages vom 29. Mai 1993. Damals waren fünf Frauen und Mädchen mit türkischer Zuwanderungsgeschichte in den Flammen ihres Hauses umgekommen, das rassistisch aufgehetzte Jugendliche angezündet hatten. Weitere Mitbewohnerinnen und Mitbewohner wurden teilweise schwer verletzt. Dieses Verbrechen ist und bleibt in Solingen unvergessen. Manchmal still und verhalten, doch meist laut und unüberhörbar gestaltete sich das Gedenken.

Schon am Samstag, den 19. Mai veranstaltete die Solinger Antifa ein Konzert „Love music – hate facism!“ mit lokalen Bands und Kutlu (Microphone Mafia), Pablo (Irie Revolté), Chaoze One.

Am Mittwoch, 23. Mai gab es eine Gedenkveranstaltung des „Solinger Appell“, ein Bündnis, das sich bereits 1993 gebildet hatte. Mitwirkende waren aus Mölln dabei (nach dem Mordanschlag 1992), aus Köln von der Initiative „Keupstraße ist überall“, auch Rechtsanwalt Rolf Gössner von der Internationalen Liga für Menschenrechte und andere schilderten ihre Erlebnisse und Erfahrungen.

Am 26. Mai fand dann mit mehreren hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern die überregional organisierte Demonstration statt mit Musik und vielen Reden. Daran nahm auch Petra Pau teil, Vizepräsidentin des Bundestages, die schon am Vortag auf Einladung der Partei Die Linke Solingen zu einer Veranstaltung über die Rolle des Inlandsgeheimdienstes (fälschlicherweise Verfassungsschutz genannt) gesprochen und diskutiert hatte.

Über 200 Besucherinnen und Besucher folgten am Abend des 26. Mai der Einladung der VVN-BdA Solingen ins Kulturzentrum „Cobra“ zu einer Gedenk- und Konzertveranstaltung mit dem sizilianischen Sänger Pippo Polina und dem Kölner Kabarettisten Wilfried Schmickler. In einer eindrucksvollen Rede schilderte Inge Krämer, die Sprecherin der VVN-BdA Solingen, Hintergründe des damaligen Geschehens. Bei ihr ist vor allem die Rede von der Rolle des sogenannten Verfassungsschutzes, der auch damals in Solingen seine Finger im Spiel hatte. Ihre Rede, die mit dem Aufruf schloss, in breiter Gemeinsamkeit gegen Rassismus aufzustehen, wurde mit lang anhaltendem Beifall bedacht.

Am Jahrestag selbst gingen mehrere hundert Schülerinnen und Schüler auf die Straße und forderten, das Gedenken an die Morde von damals mit entschlossenem Eintreten gegen Rassismus heute zu verbinden. Die Stadt Solingen selbst ehrt die Opfer der Morde von 1993 mit einer Veranstaltung, zu der sich auch der türkische Außenminister angesagt hatte. Ein aufziehendes Unwetter allerdings verhinderte seine Rede. Am Ende des Tages stand noch ein interreligiöses Gebet an sowie ein nächtlicher Mahngang zur Unteren Werner-Straße, zum Ort des Verbrechens von damals.

Die Tage des Gedenkens haben gezeigt, dass es in der Stadt eine entschlossene antirassistische Strömung gibt. Das macht Mut, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor Gleichgültigkeit, Ablehnung des Fremden, Rassismus und mehr vorhanden sind und im Alltag vielfach zu Tage treten. Schon wenige Tage danach waren die antirassistisch Aktiven wieder gefordert: Die sogenannten Patrioten rotteten sich auf dem zentralen Platz in Solingen, auf dem Neumarkt, zusammen.

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"Rassistische Morde", UZ vom 8. Juni 2018



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