Nein, schön ist sie nicht, diese Revolution, und auch nicht tanzbar. Im Gegenteil. Wer sich den Graupenkick von VFL Wolfsburg gegen Borussia Dortmund angesehen hat, brauchte eine Menge Durchhaltevermögen. Nicht wegen des schlechten Spiels selber – als BVB-Fan ist man Leid gewöhnt –, sondern wegen der gefühlten 20 Unterbrechungen. Immer wieder flogen Gegenstände auf den Platz, zumeist Tennisbälle, immer wieder musste der Schiedsrichter das Spiel unterbrechen. Das ganze Stadion skandierte dazu jeweils: „Scheiß DFL, Scheiße, Scheiße DFL“. Die Spieler: Genervt. Die Trainer: Genervt. Die Präsidenten: Genervt. Und ganz besonders sauer: Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer des BVB und Vorsitzender des Aufsichtsrats der DFL GmbH. Das Spiel stand mehrfach auf der Kippe Richtung Abbruch.
Worum geht es? Es geht um alles. Es geht um „Wem gehört der Fußball?“ Ein von der Deutschen Fußball-Liga angestrebter Investoren-Deal entzweit die DFL, die Vereine und die Fans. Zwei Milliarden Euro liegen im Ring. Der DFL würde gerne kassieren, Interessenten wie „CVC Capital Partners“ (Luxemburg) oder „EQT“ (Schweden) gerne einsteigen („Blackstone“ aus den USA haben ihr Interesse wegen der anhaltenden Proteste bereits zurückgezogen). Die Fans haben vor allem Angst, dass die 50+1-Regel schleichend gekippt wird (Kapitalanlegern ist es nach dieser Vorschrift der Satzung der DFL nicht möglich, die Stimmenmehrheit eines Vereins in Kapitalgesellschaften zu übernehmen). Ein Kompromiss? Eigentlich nicht möglich.
„Die einzige Gruppe, ohne die du ein Spiel nicht durchführen kannst, sind die Fußballer selbst“, sagt Alexander Zorniger, der Trainer von Zweitligist Greuther Fürth, bei Sky. „Die Fans sind die Seele des Spiels, ohne Zweifel. Aber sie sind nicht das Herz des Spiels.“ Soweit ganz okay, aber ohne Seele, das haben die Geisterspiele während der Corona-Pandemie gezeigt, ist Fußball gar nichts. Ohne die Seele sind es 22 deutlich überbezahlte Menschen, die durch ein leeres Stadion stolpern und den Ball mal nach links, mal nach rechts pöhlen. Niemand würde sich das im Fernsehen anschauen, Werbeverträge und Sponsoren abspringen, die Sender sich nach anderen Sportübertragungen umsehen. Ohne die Seele, ohne die Fans würde der Profifußball schlicht und ergreifend untergehen.
Und das ist diese Macht, die die Kurven haben und nun auch (fast) bundesweit nutzen. Niemand kann hunderttausende Fans so weit vorab kontrollieren, dass nicht irgendetwas aufs Feld geworfen werden könnte. Kleine Bonbons reichen bereits, damit ein Spiel unterbrochen werden muss, alleine weil die Verletzungsgefahr für die Spieler zu groß wäre (in Rostock ließen die Fans sogar ferngesteuerte Autos mit Rauchbomben auf dem Rasen fahren!)
Und nun? Der 1. FC Köln schickte ein Schreiben an die DFL, die Entscheidung über einen Investoren-Einstieg solle demnach wieder an die 36 Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga zurückfallen. DFL-Chef Watzke dazu: „Wir als Präsidium haben ein bindendes Abschluss-Mandat erteilt bekommen. Aber wenn wir das Gefühl haben, dass die Mehrheit das im März nicht mehr will, werden wir unser Votum sicher nicht gegen deren Willen geben.“
Das sind bisher nur Worte. Taten müssen folgen, und zwar schnell. Das Interesse sowohl der Fans im Stadion, vor allem aber das der Fernsehzuschauer dürfte stetig zurückgehen. Spiele, die 120 Minuten dauern, weil sie zig mal unterbrochen werden müssen, nerven und langweilen.
Und das ist interessant: All ihr megareichen Vereine, Sponsoren, Präsidenten, Spieler: Ohne „den kleinen Mann“, ohne Fans seid ihr gar nichts. Kann man draus lernen.