Ran an die Wurzeln!

Uli Brockmeyer zum „Holocaust-Gedenktag“

Verfolgt man in diesen Tagen die Berichte über die zahlreichen Veranstaltungen zum „Holocaust-Gedenktag“, dann fällt es schwer, die richtigen Erkenntnisse daraus zu entdecken.

Zwar wird in den meisten Berichten mehr oder weniger korrekt erwähnt, dass das Vernichtungslager Auschwitz am 27. Januar 1945 von Soldaten der Roten Armee der Sowjetunion befreit wurde, doch kann man selbst dabei zuweilen einen abwertenden Unterton entdecken. Ja, es waren sowjetische Soldaten, die unter Einsatz ihres Lebens die verbliebenen Henker der SS im faschistischen Konzentrationslager besiegten, und mindestens 230 Befreier bezahlten diesen Kampf mit ihrem Leben.

Das KZ Auschwitz, das gewissermaßen symbolisch für die Grausamkeit der deutschen Faschisten steht, war mehr als „nur“ ein Konzentrationslager. Zunächst als eines von vielen Lagern eingerichtet, in dem die Faschisten zu Beginn ihre politischen Gegner – Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und andere Antifaschisten – eingekerkert haben, weil die „normalen“ Gefängnisse dafür nicht mehr ausreichten, wurde Auschwitz im Verlauf des Krieges immer mehr zu einem Vernichtungslager, Teil der auf der Wannsee-Konferenz beschlossenen „Endlösung der Judenfrage“. Hier erprobten und vollzogen die Faschisten den Massenmord vor allem an den Juden.

Mit dem Vorrücken der sowjetischen Armeen in Richtung Deutschland, angesichts des Verlustes von immer mehr zuvor im Krieg eroberten und besetzten Gebieten in Europa, wurde das KZ Auschwitz zum Zentrum des industrialisierten Massenmordes. Dort wurde das von der IG Farben entwickelte Giftgas „Zyklon B“ zunächst an Hunderten sowjetischen Kriegsgefangenen „erfolgreich“ getestet und dann zur Vernichtung von Hunderttausenden jüdischen Menschen aus fast allen Ländern Europas eingesetzt. Vor allem kurz vor dem Ende des Krieges wurden diese Menschen unter unvorstellbar grausamen Bedingungen per Bahn nach Auschwitz transportiert – zumeist unter tatkräftiger Mithilfe der jeweiligen Behörden der besetzten Länder –, um dort ohne Umwege in den Gaskammern ermordet und anschließend im Krematorium verbrannt zu werden. Mit „deutscher Gründlichkeit“ vergaß man nicht, den Todgeweihten vorher alles abzunehmen, was noch für den „Endsieg“ verwendbar war.

Es ist völlig richtig, am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz vor allem der jüdischen Opfer zu gedenken. Und es ist auch richtig, wenn Staatsoberhäupter und andere Würdenträger in diesen Tagen vor der Gefahr des Antisemitismus warnen. Allerdings muss dabei auch bedacht werden, dass dieser Antisemitismus nicht von irgendwo aus dem Nichts kommt. Judenhass ist auch nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges, nach dem Sieg über die faschistischen Regime nicht verschwunden. Ebenso wie der Antifaschismus stand diese Frage in Westdeutschland und in den meisten westlichen Staaten nie ganz oben auf der politischen Tagesordnung.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass Kritik an der Annexionspolitik des Staates Israel nicht mit Antisemitismus gleichgesetzt werden darf.

Zur historischen Wahrheit gehört vor allem die Erkenntnis, dass der Faschismus an der Macht „die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“, also untrennbar mit dem Kapitalismus verbunden ist. Und daraus folgt die Erkenntnis, dass die Beseitigung der Gefahr eines neu aufkommenden Faschismus – und somit des staatlich sanktionierten Antisemitismus – nur dann endgültig denkbar ist, wenn auch der Kapitalismus durch eine neue Gesellschaftsordnung, den Sozialismus, ersetzt wird.

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"Ran an die Wurzeln!", UZ vom 31. Januar 2020



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