Die ehemaligen Bergbauflächen zwischen Bottrop und Essen, die sogenannte „Emscher Freiheit“, sollen mit Gewerbeflächen und Luxuswohnungen bebaut werden. Die Ruhrkohle AG (RAG) will das 1 700 Hektar große Areal mit großzügiger Unterstützung aus öffentlicher Hand in ein „zukunftsorientiertes Quartier“ umgestalten. Die DKP Kreise Bottrop und Essen wenden sich gegen diese Pläne. Sie bemängeln in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass „die Interessen der Industrie und der Banken den Ausschlag geben“ und dass unter anderem „die Belange der Menschen hinsichtlich bezahlbaren Wohnraums weitgehend außer Acht gelassen werden“. UZ sprach mit dem Bottroper Ratsmitglied Michael Gerber (DKP).
UZ: Die „Emscher Freiheit“ ist das größte Stadtentwicklungsprojekt in NRW. Ist es nicht gut, dass etwas getan wird? Warum ist die DKP dagegen?
Michael Gerber: Die DKP lehnt den „Interkommunalen Entwicklungsplan Essen-Bottrop“ ab, da er vorrangig die Interessen der Industrie und zu wenig die Erfordernisse der Bevölkerung nach bezahlbarem Wohnraum, nach einer sauberen Umwelt und Verkehrsvermeidung, die Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze und eine aktive Bürgerbeteiligung berücksichtigt. Im Mittelpunkt stehen nicht die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen. Die DKP fordert, dass vor allem preiswerter Wohnraum geschaffen wird. Die Lebensbedingungen in den bestehenden Wohnquartieren im Essener Norden und Bottroper Süden müssen verbessert werden. Dies alles ist jedoch nicht im Konzept vorgesehen.
UZ: Hilft aber das Zusammengehen öffentlicher Akteure mit privaten Investoren nicht, die ehemaligen Bergbauflächen zu sanieren?
Michael Gerber: Die Ruhrgebietsstädte müssen ihre Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten über die Bergbauflächen zurückerlangen und das Diktat der Kohlebarone damit beenden. Dies ist nur möglich, wenn die bisherigen Bergbauflächen in öffentliches Eigentum überführt werden. Die verantwortliche Planungsgesellschaft „Stahm Architekten“ aus Braunschweig wirbt dafür, die Flächen interkommunal zu entwickeln. Dazu soll eine öffentlich-private Kooperation geschaffen werden und das Ganze eine gesonderte Managementstruktur erhalten. Damit werden dem Finanzkapital mit Hilfe der beiden Städte und des Landes NRW ganz besondere Anlage- und Gewinnmöglichkeiten geboten. Diese öffentlich-private Zusammenarbeit lehnt die DKP entschieden ab.
UZ: Warum sieht das vorgestellte Konzept keine Maßnahmen zur Reduzierung der Umweltbelastungen vor?
Michael Gerber: Der Essener Norden und der Bottroper Süden haben die stärksten Umweltbelastungen im Ruhrgebiet. Der Krebsatlas der „Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland“ weist hier die höchsten Werte in NRW auf. Das Konzept für diese Region sieht jedoch keine Maßnahmen zur Reduzierung der Umweltbelastungen vor. Wenn das ernsthaft geplant würde, müsste eine Giftschleuder wie die Müllverbrennungsanlage von Harmuth in Essen endgültig geschlossen werden. Die Kokerei von ArcelorMittal in Bottrop überschreitet regelmäßig drastisch die Benzo(a)pyren-Grenzwerte. Die Umweltauflagen müssten massiv verschärft und von den Aufsichtsbehörden durchgesetzt werden, damit die Umweltverschmutzung dieser und anderer Betriebe künftig unterlassen wird. Es widerspricht einer ökologischen Politik, wenn Logistikfirmen auf den ehemaligen Bergbauflächen angesiedelt werden sollen. Damit werden neue Verkehre – insbesondere LKW-Verkehre – erzeugt. Auch der Ausbau der A52 durch das Stadtgebiet bis zum Essener Süden, der im Konzept vorgesehen ist, widerspricht allen ökologischen und umweltpolitischen Gesichtspunkten.
UZ: Welche Rolle spielt bei der „Emscher Freiheit“ die EU?
Michael Gerber: Die ehemaligen Bergbauflächen, die sich derzeit im Besitz der RAG sowie der „RAG-Montan-Immobilien“ befinden, sind nach Auffassung der DKP in öffentliches Eigentum zu überführen. Die EU setzt sich jedoch für eine maximale Freiheit der Banken und Konzerne ein. Die DKP kritisiert, dass die RAG und die „RAG-Montan-Immobilien“ die ehemaligen Bergbauflächen zu einem lukrativen Geschäft machen wollen. Dies entspricht der generellen Zielsetzung der EU, maximale Profitbedingungen für Banken und Konzerne zu ermöglichen – nicht jedoch den Erfordernissen einer nachhaltigen Entwicklung einer Industrieregion.
UZ: Nimmt die EU generell diese negative Rolle für die Kommunen ein?
Michael Gerber: Als Stadtrat in Bottrop erlebe ich täglich, dass zwei Drittel der kommunalen Belange inzwischen von der EU-Gesetzgebung diktiert werden. Statt Aufträge an örtliche Betriebe zu vergeben, müssen immer mehr Aufträge europaweit ausgeschrieben werden. Davon profitieren besonders deutsche Großkonzerne. Die DKP kritisiert, dass über die EU massiver Druck auf die Kommunen ausgeübt wird, um alle Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge zu privatisieren. Wir erleben das aktuell in Bereichen der Verkehrspolitik, im Gesundheitswesen und vielen anderen Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge. Dagegen gilt es Widerstand zu organisieren. Die Privatisierung kommunaler Aufgaben muss verboten werden.