Die gute Nachricht zuerst: Im Auftrag des Magazins „Stern“ wurde von dem Meinungsforschungsinstitut Forsa im November 2023 eine Umfrage durchgeführt. Ergebnis: nur 17 Prozent der Deutschen wären „in jedem Fall“ bereit zur Landesverteidigung mit der Waffe. Der Anteil derjenigen, die „auf keinen Fall“ dazu bereit wären, liegt mit 40 Prozent fast doppelt so hoch wie bei derselben Umfrage im Mai 2022. Auch wenn solche Umfragen mit Vorsicht zu genießen sind: die Verdoppelung der Anzahl der nicht Kriegswilligen darf man als nicht zufälliges Umfrageergebnis werten.
Ein Verein namens „Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP e. V.) machte sich im selbigen November in einem „Policy Brief“ Gedanken zum Thema „Den nächsten Krieg verhindern“. Dieser Thinktank ist im Lobbyregister beim Deutschen Bundestag gelistet. Die Zuschüsse von staatlicher Seite beliefen sich für 2022 auf etwa 3 Millionen Euro. Zur Auskunft über seine sonstigen Geldgeber wird auf einen Fördererkreis verwiesen, in dem sich neben vielen anderen der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus sowie BASF, Goldman Sachs, Bertelsmann und die Telekom finden. Ausgangspunkt der Überlegungen ist ein in den nächsten zehn Jahren drohender Angriff Russlands. Als Gegenmaßnahme sei es zwingend erforderlich, Deutschland und die NATO zu stärken. Das betreffe die militärische Kampfkraft, die industrielle Basis und als drittes die Resilienz, definiert als die „Bereitschaft und Fähigkeit einer Gesellschaft, einen Konflikt mit den Einschränkungen und Verlusten mitzutragen“.
Warum das alles? „Die Bundesregierung möchte, dass Deutschland Europas stärkste Armee stellt und Rückgrat der Bündnisverteidigung wird. Dafür wird es aus einer stockenden Zeitenwende heraus einen Quantensprung beim Wiederaufbau der Bundeswehr, der Erneuerung der rüstungsindustriellen Basis und der Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz leisten müssen.“ (Deutschland! Muss!) Um den notwendigen „Mentalitätswandel“ herbeizuführen, sollen Bundes- und Landesregierungen und Parlamente eine „sicherheitspolitische Dekade“ ausrufen.
Lieblingsthema bei der Erziehung des Volkes zum Quantenspringen ist die „Resilienz“. Kurz erklärt bedeutet der Begriff Widerstandsfähigkeit. „Gesellschaftliche Resilienz – mental und physisch – ist unabdingbar, um Moral und Zusammenleben aufrechtzuerhalten“, erfahren wir. Im Klartext: Das Volk soll sich allen Herausforderungen unterwerfen, die die Regierung ihm auferlegt. Die beiden Autoren der „Studie“ haben da schon eine Idee: Eine „Resilienz-Initiative“: „Es ist wichtig, die Bevölkerung intensiv an der Ausgestaltung der sicherheitspolitischen Dekade zu beteiligen, denn durch Identifikation (ownership) werden die Befähigung und die Motivation der Menschen zur Resilienz gestärkt.“ Da geht es um Bereiche des Zivilschutzes, aber auch Städteplanung, Energieversorgung, Transportrouten. Daran sollen die Menschen gewöhnt werden mit Wettbewerben, Weiterbildung, Trainingscamps (!). Die Krönung der Überlegungen: ein „Resilienz-Praktikum“: Statt einer militärischen Dienstpflicht soll es in verteidigungsrelevanten Bereichen ein „verpflichtendes Praktikum für alle in Deutschland lebenden Menschen im Alter von 18 bis 65 Jahren geben“. Früher mal hieß das Arbeitsdienst.
Es wird immer bombastischer. Nach diversen Wummsen und Zeitenwende muss also jetzt Deutschland in Quanten springen. Sorgen wir zu unserer eigenen Sicherheit dafür, dass die Zeitenwende weiter ins Stocken gerät. Wie das gehen könnte, zeigen uns gerade die Bauern mit ihren Traktoren auf den Straßen.