Haben sie den falschen Götzen angebetet? Zu viele schwarze Katzen geküsst? Irgendetwas müssen die Mitglieder der Linkspartei doch verbrochen haben, um mit so einem Parteivorstand gestraft zu werden. „Unserer Verantwortung gerecht werden: ‚Die Linke‘ als plurale sozialistische Partei erhalten!“, so der Titel des Beschlusses, den der Vorstand am vergangenen Wochenende verkündete. Darin enthalten war die feierliche Bekanntmachung: „Die Zukunft der ‚ Linken‘ ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht.“
Es ist nicht überliefert, wie der Versuch, der eigenen Partei jeden oppositionellen Anspruch zu exorzieren, rituell begleitet wurde. Was für pathetische Reden wurden wohl gehalten, als die Vorstandsmitglieder, die sich sonst vor „Awareness“ und identitätspolitischem Liberalismus kaum retten können, zusammentrafen, um den Stab über ihre populärste Genossin zu brechen? Ein Parteiordnungsverfahren wäre aussichtslos gewesen, eine inhaltliche Debatte war nicht gewollt. Übrig blieb dann nur noch der Austreibungsversuch per Vorstandsbeschluss.
Zwei Tage vor dem Beginn von „Air Defender 23“, in Zeiten höchster Eskalationsgefahr, mörderischer Waffenlieferungen und einer vom Wirtschaftskrieg gebeutelten Bevölkerung, provoziert der Vorstand den endgültigen Zusammenbruch der Partei, die dem Namen nach für sich reklamiert, linke Politik zu vertreten. Doch darum geht es dem Konvent im Karl-Liebknecht-Haus offenbar nicht mehr. Eine Diskussion zur Friedensfrage wurde nie organisiert. Wer sich kritisch zur NATO äußerte oder gar – Kinder, hört nicht hin! – Friedensdemonstrationen organisierte, wurde verächtlich gemacht. Zugleich ließ man Leute wie Bodo Ramelow gewähren, wenn sie die Lieferung von Kampfpanzern forderten und damit gegen das Parteiprogramm verstießen.
Nun soll Sahra Wagenknecht gehen und am liebsten gleich alle Bundestagsabgeordneten und Mitglieder mitnehmen, die sich gegen den schleichenden Umbau der Parteiausrichtung wehren. Dass dieser Beschluss nun ausgerechnet dem Erhalt der „Pluralität“ dienen soll, ist im besten Fall ein Treppenwitz. Noch spannender ist die Passage des Papiers, in der dafür geworben wird, „auf Parteitagen, in den entsprechenden Gremien und Verfahren um demokratische Mehrheiten zu ringen“. Was das angeht, haben die frühere Marx21-Trotzkistin Janine Wissler und ihr Ko-Vorsitzender Martin Schirdewan schon ganze Arbeit geleistet. Nun wollen sie den Erfolg absichern, indem sie die parteiinterne Opposition verjagen. Als Belohnung winkt ein Platz im linken Flügel des bürgerlichen Blocks. Kategorie: Imperialistenfreunde mit schlechtem Gewissen.
Ob die Säuberung gelingt, bleibt abzuwarten. Am Dienstagnachmittag tagte die Bundestagsfraktion der „Linken“ hinter verschlossenen Türen (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe). In einer Stellungnahme vorab brachte der Vorsitzende Dietmar Bartsch seine zwiespältige Situation unfreiwillig auf den Punkt: Das Nachdenken über eine neue Partei sei „völlig inakzeptabel“, erklärte er im gerechten Zorn. Doch sein klares Ziel sei es, „als Bundestagsfraktion die Legislatur zu beenden“. Das wird nur klappen, wenn der Vorstandsbeschluss einfach ignoriert wird.
Putzgeschwader im Einsatz
Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.
An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)