Zur Polizeiaktion gegen Reichsbürger

Putsch-Spektakel

Was die bürgerliche Revolution in Deutschland alles verpasst hat, ließ sich in der letzten Woche erahnen, als das Porträt eines Mannes namens Heinrich XIII. Prinz Reuß die Titelseiten der größten Zeitungen schmückte. Am 7. Dezember wurden der Prinz, eine AfD-Richterin, ein ehemaliger KSK-Soldat und 22 andere mutmaßliche Mitglieder der sogenannten Reichsbürgerbewegung verhaftet. Ihnen werden die Bildung einer terroristischen Vereinigung und die Planung eines Staatsstreichs vorgeworfen.

Der Ampel-Koalition kommt das nicht ungelegen. Zwei Drittel der Deutschen sind unzufrieden mit der Regierungspolitik, wie kürzlich eine Umfrage des Instituts „YouGov“ ergab. Krieg und Krise treiben die Bevölkerung an ihre Grenzen. Da liegt die Versuchung nahe, die überfällige Inhaftierung eines faschistoiden Kuriositätenkabinetts zum in letzter Sekunde abgewehrten Putsch aufzublasen. Jedenfalls deutet vieles darauf hin, dass die Regierung mehr Interesse an einem medialen Erfolg hatte als an einem gelungenen Polizeieinsatz. Schon zwei Wochen vor der Razzia wurden mehrere Zeitungen und Fernsehsender über den geplanten Zugriff unterrichtet, wie die Bundestagsabgeordnete Martina Renner („Die Linke“) in einem „n-tv“-Interview erklärte. Sogar die Namen, die Adressen und die geplante Zugriffszeit waren im Vorfeld weitergegeben worden. Die Aktion wurde zum offenen Geheimnis. Nach Angaben des „Tagesspiegel“ rief ein Verdächtiger seine Nachbarin an, um sie über das zu erwartende Polizeiaufgebot zu informieren.

Den Reichsbürgern kann das Spektakel nur recht sein, mit dem der Prinz und seine Mitstreiter zu veritablen Staatsfeinden aufgewertet werden. Ihre Anhängerschaft wähnt sich ohnehin im Bürgerkrieg und dürfte sich in ihrer irrationalen Ideologie bestätigt fühlen. Auch die Behörden können sich freuen. Der Schlag überdeckt die neuen Vorwürfe gegen eine rechte Polizei-Chatgruppe in Baden-Württemberg. Die Verstrickung des Staates in den NSU und der Mord an Mouhamed Dramé in Dortmund bleiben unaufgeklärt, während sich Geheimdienste und Polizei für ihren „Kampf gegen rechts“ feiern.

Welche Gefahr von den Verhafteten tatsächlich ausging, wird vor Gericht verhandelt werden. Waren sie jedoch so gefährlich und so gut vernetzt, wie behauptet, dann ist es umso skandalöser, dass die Razzia zum Zwecke der (Selbst-)Inszenierung vorab verraten wurde.

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"Putsch-Spektakel", UZ vom 16. Dezember 2022



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