Und noch ein Putsch: Der jüngste Staatsstreich in einer ehemaligen französischen Kolonie in Afrika ereignete sich vor einer Woche in Gabun. Die Streitkräfte des Landes entmachteten Präsident Ali Bongo und setzten Brice Oligui Nguema an seine Stelle, den Kommandeur der Republikanischen Garde. Der Brigadegeneral wurde inzwischen offiziell zum Übergangspräsidenten ernannt. Er will nun, so sagt er, in Gabun eine Staatstransformation in die Wege leiten und geordnete, gut demokratische Verhältnisse schaffen. Ob es wirklich so kommt, ist freilich ungewiss. Der Putsch in Gabun weist Parallelen zu den Putschen der vergangenen Jahre im Sahel auf; es gibt aber auch wichtige Unterschiede.
Was da am 30. August in Gabuns Hauptstadt Libreville zu Ende ging, als Militärs Ali Bongo unter strikten Hausarrest stellten und damit seine Präsidentschaft de facto beendeten, das war die jahrzehntelange Herrschaft zweier Männer aus dem Kern der Françafrique, der französischen Seilschaften auf dem afrikanischen Kontinent. Wie die Präsidenten Malis, Burkina Fasos und Nigers gewöhnlich gute Beziehungen nach Paris unterhielten, so taten es auch Gabuns Präsident Omar Bongo (1967 bis 2009) sowie sein Sohn und Nachfolger Ali (2009 bis 2023). Sie waren so korrupt wie Nigers gestürzte Regierung, vielleicht sogar noch korrupter, denn ihr Land besaß riesige Erdölvorkommen; sie konnten also aus dem Vollen schöpfen, und Ali Bongo galt zuletzt als einer der reichsten Männer des Kontinents. Wahlen gab es, aber Ali gewann sie nicht durch das Auszählen der Stimmen, sondern durch einen recht kreativen Umgang mit den Urnen. Für die Bevölkerung verhielt es sich umgekehrt; sie war zu großen Teilen verarmt, und sie verlor die Wahlen, denn die Stimmen der Mehrheit zählten nicht. Die Verhältnisse in Gabun boten stets ein zugespitztes Sittenbild der Françafrique.
Da beginnen aber – vermutlich – die Unterschiede zwischen den Putschen. Geht es im Sahel darum, der Françafrique ein Ende zu setzen, aus den Bindungen an die Ex-Kolonialmacht zu entkommen und Eigenständigkeit zu erreichen, so ist das in Gabun recht ungewiss. Klar zu sein scheint: Der Putsch richtete sich gegen eine bestimmte Fraktion des Bongo-Clans – gegen Alis Ehefrau Sylvia und ihren Sohn Noureddin, die wohl die zentralen Fäden zogen, seit Ali im Jahr 2018 durch einen Schlaganfall geschwächt wurde. Offiziell heißt es, die Militärs hätten mit dem Putsch auf die eklatante Fälschung der Wahl vom 26 August reagiert. Wäre dem so: Wieso setzen sie dann nicht einfach den mutmaßlichen Wahlsieger Albert Ondo Ossa als Übergangspräsidenten ein? Ondo Ossa ging schon unmittelbar nach dem Umsturz davon aus, es handle sich lediglich um eine Palastrevolution, die bloß eine andere Fraktion des Bongo-Clans an die Macht bringen solle. Oligui Nguema sei schließlich Alis Cousin. Hat er recht, dann bringt der Putsch weniger eine Transformation des Staates Gabun als vielmehr eine neue Personalie in den Netzen der im Sahel kollabierenden Françafrique.
Die hat freilich ganz unabhängig davon mit Bongos Sturz einen neuen Schlag erhalten – denn Paris steckt nun sehr unangenehm in der Klemme. Will es nicht vollkommen unglaubwürdig werden, dann muss es auf den Putsch in Gabun ähnlich scharf reagieren wie auf den Putsch in Niger. Bleibt Libreville aber der Françafrique treu, dann kann man die Regierung keinesfalls mit Sanktionen oder gar mit Invasionsdrohungen wie im Falle Niameys in die Bredouille bringen. Man muss also möglichst laut wettern und parallel die Auffassung in die Welt setzen, das Eingreifen der Militärs in Gabun sei ja aufgrund der massiven Wahlfälschung irgendwie nachvollziehbar, das Eingreifen der Militärs in Niger gegen einen angeblich ganz korrekt gewählten Präsidenten hingegen nicht. Dumm nur, dass die Doppelmoral trotzdem so krass in die Augen sticht, dass selbst französische Leitmedien sie nicht ganz ignorieren können. Und: Ob man sich wirklich darauf verlassen kann, dass Oligui Nguema nicht doch anderes im Sinne hat als eine simple Fortsetzung der Françafrique – ganz sicher ist es in diesen Zeiten nicht.