Am 28. Januar jährt sich zum 45. Mal der so genannte „Radikalenerlass“, der Beschluss einer Tagung der Ministerpräsidenten der Bundesländer und des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt. Ein Beschluss mit verheerenden Folgen nicht nur für die vom daraus folgenden Berufs- oder Ausbildungsverbot Betroffenen.
Dass die staatlichen Repressionen den Kampfgeist und das Rückgrat vieler Betroffener nicht brechen konnten, dass so viele beispielhaft über Jahrzehnte gegen politisches Unrecht angekämpft haben und bis heute kämpfen, ist ein bislang noch nicht aufgearbeitetes Ruhmesblatt der 70er/80er Jahre. Die heute so gern verspotteten „Alt68er“ brachten auch ganz andere Typen hervor als die nach rechts abgedrifteten „Joschkas und Co.“ Das belegt nicht zuletzt die Geschichte der meisten vom Berufsverbot Betroffenen.
Aber es ging damals und es geht bis heute nicht nur um persönliche Schicksale, so sehr jede(r) Einzelne mit ihren/seinen individuellen sozialen und psychischen Konsequenzen der Berufsverbote auch Jahrzehnte später noch zu tun hat.
Der „Radikalenerlass“ galt und gilt nicht Frau X und Herrn Y. Es ging um die Schaffung eines Modells für den Umgang mit den damaligen marxistisch-sozialistisch-kommunistischen „Gefährdern.“ In einer Dokumentation, herausgegeben vom Liberalen Hochschulverband, mit dem Titel „Betrifft Berufsverbote“ führte der damalige Bundesvorsitzende und Marburger Politologe Prof. Theo Schiller folgendes aus: „Der ganze Trick mit der Einzelfallprüfung besteht also darin, dass die politischen Ziele der inkriminierten Parteien/Organisationen aus Kollektivzielen in (addierte) Individualziele atomisiert und sodann den individuellen Mitgliedern als Individual- und Einzelfallumstände vorgeworfen werfen: Der große Pauschaltopf der Verfassungsfeindschaft wird ersetzt durch Tausende ebenso pauschale Individualtöpfchen der Verfassungsfeindschaft.“
Der spätere Vizepräsident der Universität Marburg und bürgerlich-liberale Schiller, hatte den tieferen Sinn dieser „Anhörungen“ sehr klar erkannt. Es ging im Prinzip darum, dass der bürgerliche Staat BRD sich ein neues Verbotsurteil gegen die 1968 neukonstituierte KP in Westdeutschland ersparen wollte. Man wollte (noch) kein zweites KPD-Verbot.
Die Summe von abgelehnten Bewerbern sollte das höchstrichterliche Urteil durch eine Addition von tausenden behördlichen „Attesten“ über die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der einzelnen Parteimitglieder ersetzen. Es ging um das faktische Verbot der Kommunistischen Partei.
Und deshalb half auch nicht eine besondere rhetorische Raffinesse in den zigtausendfach durchgeführten offiziellen inquisitorischen „Anhörungen.“ Das war auch nicht notwendig. Die betroffenen Mitglieder der Partei von Herbert Mies, der DKP vor 1989, standen mit all ihren eigenen vielfältigen subjektiven Erfahrungen zu ihrer politischen und weltanschaulichen Überzeugung, die sie auch in dieser Situation der Bedrängnis nicht verleugneten. So gut wie niemand distanzierte sich von dieser manchmal selbst von einigen Mitgliedern heute als „stalinistisch“ verunglimpften Partei und ihrem Programm.
Ja, Berufsverbote waren und sind als politische Prüfsteine zu bewerten und nicht als Probe für politische Wendigkeit und Geschicklichkeit bei Anhörungen. Mit ihrer Gradlinigkeit und Klarheit schuf dieser Teil der „68er“ und „Post-68er“ auch Grundlagen für eine demokratische Tradition, die wir heute im Widerstand gegen den von Bundesinnenminister de Maizière verkündeten starken Staat als Modell für eine exzessive Ausweitung von Repressalien gegen heutige „Gefährder“ aktivieren müssen.
Dass gerade in den letzten fünf Jahren sich im Kampf gegen die Langzeitfolgen der Berufsverbote Beachtliches bewegt hat, macht auch dafür Mut. Ehemals gegeneinander streitende linke Organisationen und Personen arbeiten gegenwärtig solidarisch mit gegenseitigem Respekt sehr erfolgreich zusammen und haben die vergessene Geschichte mit Nachdruck an die Öffentlichkeit gebracht.
Sie zeigen damit: Es lohnt sich weiter zu kämpfen.