Am vergangenen Dienstag endete das Verfahren gegen den italienischen Aktivisten Fabio V. Etwas anders als von den Repressionsbehörden nach seiner Verhaftung und der monatelangen U-Haft angekündigt. Die Haftbegründungen der OLG-Richter lasen sich am Anfang äußerst abenteuerlich. Von „einer empfindlichen Freiheitsstrafe“ wurde in dem die U-Haft begründenden Beschluss vom 21. Juli ausgegangen. Auch waren sich die Richter nicht zu schade, weitreichende Wertungen zur Persönlichkeit des Angeklagten in die Öffentlichkeit zu posaunen. So habe Fabio „erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel“ und in seiner Tat seien „schädliche Neigungen“ hervorgetreten. Es lohnt sich zu erwähnen, dass der damals 18-Jährige nicht einmal von einem Psychologen begutachtet worden war.
Übrig geblieben ist von diesen absurden Beurteilungen und dem Vorwurf der versuchten Körperverletzung, tätlicher Angriffe auf Vollstreckungsbeamte und schweren Landfriedensbruchs rein gar nichts. Dies hatte sich bereits in den letzten Verhandlungstagen abgezeichnet. Zuletzt sollte Fabio die Taten gar nicht mehr selbst begangen haben, sondern seine Schuld allein in der Teilnahme an der frühmorgendlichen Demonstration im Hamburger Rondenbarg begründet sein. Die Demonstration wurde zu einem in sich geschlossenen „gewalttätigen Mob“ erklärt, weswegen die bloße Teilnahme unter Strafe stünde, erklärten Polizeivertreter auf einer ihrer Pressekonferenzen. Dass sich diese Bewertung und ein entsprechendes Urteil eindeutig auf gewalttätige Hooligan-Gruppen und ganz explizit nicht auf politische Demonstrationen bezieht, dürfte den Behörden bekannt gewesen sein. Aber hätte ja klappen können. In Wirklichkeit wurde die Demonstration gegen den G20-Gipfel von einer scheinbar wildgewordenen Polizeieinheit innerhalb weniger Minuten nicht nur gestoppt oder aufgelöst, sondern mit Hilfe brutaler Gewalt buchstäblich zerschlagen, wie ein NDR-Bericht zweifelsohne in Bild und Ton belegt. Zahlreiche Jugendliche erlitten Verletzungen, darunter Knochenbrüche. Nichts desto trotz wurde gegen mindestens 59 der 200 Demonstrierenden ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Rechtfertigung dieses Polizeieinsatzes fällt natürlich schwer und auch eine bundesweite Razzia nach sage und schreibe einem halben Jahr nach den Protesten, konnte nicht das gewünschte Bild des „gewalttätigen Mobs“ erzeugen.
Wie nun also zu Veruteilungen rund um den Komplex Rondenbarg gelangen?
Wie auf Zuruf hattte sich die dem Jugendschöffengericht am Amtsgericht Hamburg-Altona vorsitzende Richterin am letzten Verhandlungstag krank gemeldet, sodass dieser ersatzlos ausfiel.
Damit ist diese Hauptverhandlung erst einmal beendet und weitere Termine sind nicht anberaumt. Die Richterin ist hochschwanger, wie vergangene Woche bekannt wurde. Das bedeutet, dass das Gericht in der bestehenden Besetzung den Prozess wohl nicht fortführen kann. Theoretisch könnte das Verfahren unter dem Vorsitz eines anderen Richters komplett neu aufgerollt werden.
Doch ob und wie es in dieser Gerichtsposse weitergeht, wissen derzeit weder Gericht noch Verteidigung.
Es bleibt festzuhalten, dass sich der Verfolgungswille gegen unliebsame Demonstrantinnen und Demonstranten nach wie vor fortsetzt. Davon zeugen zum einen die drakonischen Haftstrafen und zum anderen die fortdauernde Untersuchungshaft gegen mehrere Aktivisten.
Ob sich das offensichtliche Scheitern des Verfahrens gegen Fabio positiv auf andere auswirkt und z. B. die Ermittlungsverfahren gegen die im Rondenbarg Festgenommenen endlich eingestellt werden, bleibt abzuwarten und ist nicht sehr wahrscheinlich. Doch es ist eine Chance, um zu vermitteln, dass diese Art der Strafverfolgung eindeutig politisch motiviert ist und deswegen auch politischer Widerstand gegen die Repression und für die Verteidigung der Grundrechte absolut notwendig ist.
Es hat sich auch gezeigt, dass es sich lohnt, vor Gericht ebenfalls standhaft zu sein und statt erwünschter Aussagen für die Ziele und Visionen linker Politik einzutreten:
Fabio erklärte während eines Gerichtstermins: „Die Entscheidung, nach Hamburg zu kommen, war eine parteiische Entscheidung. Es war die Entscheidung, mich auf die Seite von denen zu stellen, die um ihre Rechte kämpfen. Und gegen die, die sie ihnen wegnehmen wollen. Es war die Entscheidung, mich auf die Seite der Unterdrückten zu stellen. Und gegen die Unterdrücker. Es war die Entscheidung, gegen die kleineren und größeren Mächtigen zu kämpfen, die unsere Welt behandeln, als wäre sie ihr Spielzeug. Und denen es dabei egal ist, dass immer die Bevölkerung ihren Kopf dafür hinhalten muss. Ich habe meine Entscheidung getroffen und habe keine Angst davor, wenn es einen Preis geben wird, den ich ungerechterweise dafür zahlen muss.“
Diese Entschlossenheit verdient großen Respekt. Sie wird mit Sicherheit viele andere Jugendliche motivieren, für ihre politischen und sozialen Rechte zu kämpfen.