Die AfD hat in Berlin das Recht auf sieben Stadträte. Wen hat sie nominiert?

Provokation

Von nh

Am Donnerstag der vergangenen Woche tagten in Berlin am Nachmittag erstmals die neugewählten Bezirksverordnetenversammlungen (BVV), nachdem am Vormittag das Abgeordnetenhaus zusammengetreten war. Noch dauern die Koalitionsverhandlungen im Land an und auch die Mehrheit der Bezirke braucht noch Zeit, ehe dort Bürgermeister und Stadträte die Arbeit aufnehmen können.

Und so wurden zunächst die BVV-Vorstände gewählt – in Friedrichshain-Kreuzberg nicht mal das, denn die Kandidatin der Grünen für das Amt der BVV-Vorsteherin fiel zweimal durch –, in einigen Bezirken auch die Bürgermeister und Stadträte. Neue Bürgermeister sind in Neukölln Franziska Giffey (SPD), in Treptow-Köpenick Oliver Igel (SPD), in Pankow Sören Benn (Linkspartei), in Mitte Stephan von Dassel (Grüne) und in Reinickendorf Frank Balzer (CDU). In den anderen Bezirken wurde die Wahl vertagt.

Doch zuvor und teilweise während der Sitzungen gab es Protestaktionen gegen die AfD-Abgeordneten: in Charlottenburg, Pankow, Lichtenberg, Kreuzberg, Neukölln und Spandau. Die Abstimmung über den BVV-Vorsteher in Pankow wurde durch laute Zwischenrufe aus dem Zuschauerraum gestört. Antifaschistinnen und Antifaschisten forderten den Ausschluss der AfD, als deren Verordneten zur Abstimmung aufgerufen wurden. In Lichtenberg gab es Buhrufe aus den hinteren Reihen im Saal als die Namen der neuen Bezirksverordneten der AfD verlesen wurden.

In den Bezirksverordnetenversammlungen Berlin ist die AfD mit insgesamt 97 Abgeordneten vertreten, in Marzahn-Hellersdorf stellt sie nach der Partei „Die Linke“ (16) mit 15 Abgeordneten sogar die zweitstärkste Fraktion. In Lichtenberg und Treptow-Köpenick ist sie mit je 12 Abgeordneten vertreten und damit in beiden BVV drittstärkste Kraft. Aufgrund des Wahlergebnisses hat die AfD insgesamt Anrecht auf sieben Stadtratsposten und wird damit in sieben Bezirken mitregieren. Neben den östlichen Stadtbezirken betrifft das noch Reinickendorf, Neukölln und Spandau.

In Spandau soll Andreas Otti, Offizier und ehemaliges CSU-Mitglied, den Stadtratsposten für die AfD übernehmen. In Marzahn-Hellersdorf wird der AfD-Stadtrat gleichzeitig auch stellvertretender Bezirksbürgermeister. Benannt wurde Thomas Braun, der laut Mitteilung aus der Fraktion angeblich über „große Erfahrungen im Management großer Verwaltungseinheiten mit hunderten Mitarbeitern und erheblichem Finanzvolumen“ verfügt. Ansonsten ist wenig über ihn bekannt. Umso mehr aber über einige andere AfD-Abgeordnete in den Bezirken.

Der Stadtratskandidat der AfD in Lichtenberg, den die Partei erst am Mittwoch vor der konstituierenden Sitzung der BVV benannt hatte, heißt Wolfgang Hebold. Gegen den wird derzeit wegen des Verdachts auf Volksverhetzung ermittelt. Im Frühjahr 2016 wurde der Privatdozent u. a. durch die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) von seiner Lehrtätigkeit entbunden. Er hatte sich diskriminierend, rassistisch und beleidigend über Muslime und insbesondere Muslima auf seinem Blog geäußert. Außerdem stellte er seinen Studentinnen und Studenten Statistikaufgaben mit islamfeindlichen Inhalten. Auf seiner Webseite kann man zwar derzeit nicht mehr auf Skripte zugreifen, wohl aber auf seinen Blog, in dem er täglich unter der Überschrift „Die Verheerung Europas. Ein Tagebuch des Niedergangs“ Einträge vornimmt, die die Vorwürfe belegen. Die vor und während der Lichtenberger BVV-Sitzung Protestierenden nannte er dort „multikulturellen Mob“.

Welches Ressort er übernehmen wird, steht noch nicht fest, Lichtenberg will seine Stadträte erst am 17. November wählen. Die anderen Fraktionen betrachten es als Provokation, dass die AfD Wolfgang Hebold nominierte und lehnen seine Wahl ab, die AfD will aber an ihm festhalten.

Im Bezirksparlament Berlin-Lichtenberg sitzt mit Heribert Eisenhardt zudem ein Abgeordneter, der in der Vergangenheit bei diversen rechten Parteien („Die Freiheit“ u. a.) und Vereinigungen aktiv war. Seit Anfang 2015 ist er bei Bärgida, der Berliner Variante der Pegida-Bewegung, als Teilnehmer, Redner und Moderator umtriebig.

In Pankow ist mit Thomas Weisbrich ein rechter Liedermacher in die BVV eingezogen, der noch bei den Wahlen 2006 für die Republikaner kandidiert hatte. Laut Recherchen der Antifa Nordost ist Weisbrich „seit fast zwei Jahrzehnten in der extremen Rechten aktiv“. In Marzahn-Hellersdorf haben mehrere Fraktionsmitglieder Kontakte zur NPD oder der Identitären Bewegung, in Neukölln mehrere zur rechten Hool-Szene.

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"Provokation", UZ vom 4. November 2016



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