Seit dem 24. Februar 2022 überschlagen sich Medien, Politiker und andere Talkshow-Dauergäste in ihrem Hass gegen den russischen Staat, dem sie unter anderem Völkerrechtsbruch, die wahllose Bombardierung von bewohnten Gebieten oder die Verschleppung von Zivilisten vorwerfen. Israels Krieg gegen Palästina stellt die Meinungsmacher vor ein Problem, sind sie doch nun zur Unterstützung einer Regierung verpflichtet, die all diese Verbrechen tatsächlich begeht. Ihrer Verteidigung der deutschen Staatsräson tut das keinen Abbruch. Sie bringen es fertig, jede Kritik am Völkermord in Gaza mit Antisemitismusvorwürfen zu überziehen und gleichzeitig für Waffenlieferungen an ukrainische Bandera-Faschisten zu trommeln.
Doch darin erschöpft sich das Programm der Bundesregierung nicht, ebenso wenig das der Rüstungskonzerne und das jener Verfechter des deutschen Imperialismus, die in ihren Träumen schon kurz vor Moskau campieren. Das machte Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) am vergangenen Sonntag in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ deutlich. Dort warb er für einen „Mentalitätswechsel“ nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch in der Bevölkerung. „Wir müssen kriegstüchtig werden“, lautete die Kernbotschaft. Schließlich solle sich jeder „an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte.“
Interpretationshilfen lieferte gleich am nächsten Tag der WDR, der ein Interview mit dem „Konfliktforscher“ Christian Mölling veröffentlichte. Mölling erlangte zweifelhafte Bekanntheit, als er in einem Podcast des „Stern“ über die Aussichtslosigkeit von Verhandlungen mit Russland schwadronierte und erklärte, dass „dieses Gemetzel, der Tod vieler tausend Menschen, notwendig“ sei. Dem bürgerlichen Medienbetrieb gilt er dank derartig gefälliger Aussagen als „Sicherheitsexperte“. Im WDR-Interview unterstützte er Pistorius‘ Forderungen. Es brauche „vor allen Dingen das Verständnis der Bevölkerung, einen möglichen Krieg tatsächlich mitzutragen“. Sonst drohe Ungemach: „Stellen Sie sich vor, der Bundeskanzler möchte den Artikel 5 der NATO ausrufen und die Bevölkerung sagt: ‚Ich finde das eine schlechte Idee‘.“
Der pazifistische Poesiealbumspruch von dem Krieg, zu dem keiner hingeht, scheint so manchem NATO-Strategen eine ernsthafte Bedrohung zu sein. Deshalb wundert es nicht, dass Pistorius mit seinen Ausführungen nicht alleine blieb. An dem Tag, an dem sein Interview über die Fernseher flimmerte, veröffentlichte die „Bild“-Zeitung ein „Manifest“ als „Leitidee für das, was unsere freie Gesellschaft zusammenhält“. Die 50 Punkte, die darin aufgezählt werden, sind eine krude Mischung aus Kindergarten-Verhaltensregeln und reaktionärem politischem Programm. Die Deutschen gäben sich „gern die Hand“, heißt es dort. Außerdem sei die „Sicherheit Israels deutsche Staatsräson“.
Der Text bespielt rassistische Vorurteile und versucht, abweichende Ansichten wie schlechtes Benehmen wirken zu lassen. Konformität und die Bereitschaft, sich hemmungslos ausbeuten zu lassen, werden als deutsche Tugenden dargestellt. „Wir erwarten von jedem (…) dass er sich um Arbeit bemüht und für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommt“. Das gelte auch dann, wenn Sozialhilfe oder Bürgergeld „zunächst höher sein sollten als der Lohn“.
Zur „Kriegstüchtigkeit“ gehört eben auch eine selbstlose Tüchtigkeit für die Kriegswirtschaft. Die soll mit weiteren Steuermilliarden unterstützt werden, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ebenfalls am Sonntag ankündigte. Sogar eine Aussetzung der sonst heiligen Schuldenbremse zieht er zur weiteren Aufrüstung in Betracht.
So greift ein Rädchen ins andere. Begleitet vom bellizistischen Trommelfeuer auf allen Kanälen, wird die materielle Basis für den großen Krieg geschaffen. Dem geforderten „Mentalitätswechsel“ auch öffentlich zu widerstehen, wird unter diesen Bedingungen zur großen Herausforderung. Gelingen kann dies durch die Abwehr von Spaltungsversuchen und das Setzen von Kontrapunkten – zum Beispiel am 25. November. Stell dir vor, es ist Friedensdemo und Zehntausende gehen hin.