Die Genfer Verhandlungen über einen Frieden in Syrien sind bis Ende des Monats unterbrochen. Die Oppositionsgruppen, die von Saudi Arabien unterstützt werden, stellen Vorbedingungen – und drohen mit dem Abbruch der Gespräche. Wie kam es dazu?
Für aufmerksame Beobachter der Ereignisse in und um Syrien ist es eigentlich keine Überraschung, dass die Genfer Gespräche schon vor ihrem eigentlichen Beginn zu scheitern drohen. Möglicherweise wollen die entscheidenden politischen Kräfte in Washington, Brüssel, Berlin und Riad die Wiederholung des Szenarios von Genf 2012 vermeiden. Damals war es in zähen Bemühungen gelungen, eine Vereinbarung zu erzielen, auf deren Grundlage die Möglichkeit bestand, den Konflikt in Syrien auf friedlichem Wege zu lösen. Da jedoch der Westen damit das eigentliche Kriegsziel – die Auslöschung des letzten Staates in der Region, der nicht nach der Pfeife der USA tanzt, die Abschaffung des laizistischen Systems in Syrien und die Beseitigung von Präsident Assad – nicht erreichen konnte, wurde im letzten Moment das Ruder herumgerissen.
Die Tinte der Unterschriften unter der Vereinbarung war noch nicht getrocknet, da erklärte die damalige Außenministerin der USA, Hillary Clinton, die Ergebnisse der Verhandlungen für nicht bindend. Das war das Signal für eine Verschärfung des Krieges gegen die syrische Regierung, in dessen Verlauf schließlich eine religiöse Radikalisierung zu verzeichnen war und später u. a. die terroristische Formation der Gotteskrieger unter dem Namen „Islamischer Staat“ entstand. Der weitere Verlauf ist bekannt, und auch, dass Frau Clinton jetzt danach strebt, ihr neues Hauptquartier im Weißen Haus in Washington einzurichten.
Dass es überhaupt dazu kommen konnte, nun in Genf eine neue Gesprächsrunde zu beginnen, ist vor allem dem veränderten Kräfteverhältnis in und um Syrien zu verdanken. Die reguläre Armee Syriens konnte den unterschiedlichen Gruppierungen der bewaffneten Assad-Gegner mit Unterstützung russischer und libanesischer Verbündeter etliche militärische Niederlagen zufügen. Für die USA, Frankreich, die reaktionären Golfmonarchien und die Türkei wird es immer komplizierter, die gegen den syrischen Staat anrennenden Gruppen dem Schein nach zu bekämpfen und ihnen gleichzeitig militärische, finanzielle und logistische Unterstützung zukommen zu lassen. Deshalb die Gespräche in Genf auf der Grundlage der Resolution des UNO-Sicherheitsrates Nummer 2254 mit eindeutig vereinbarten Zielstellungen. Erstes Ziel der Gespräche müsste selbstverständlich eine Vereinbarung über eine Waffenruhe sei. Denn das ist es, was die Syrer wollen und brauchen. Sie wollen endlich ihr Leben zurück haben. Dazu allerdings müssten alle beteiligten Seiten zunächst ins Gespräch kommen.
Die Vertreter der syrischen Exil-Opposition in Genf haben jedoch auf Vorbedingungen bestanden, sie fordern vor allem die einseitige Einstellung der Kampfhandlungen der Regierungstruppen und ihrer Verbündeten. Damit haben sie die Unterbrechung der noch nicht einmal begonnenen Gespräche erzwungen. Die USA, Frankreich, die BRD und andere beschuldigten unverzüglich Russland, eine friedliche Lösung verhindern zu wollen. Der türkische Ministerpräsident, der im eigenen Land Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt, ritt eine neue verbale Attacke gegen den verhassten syrischen Präsidenten, den er mit dem IS auf eine Stufe stellte. Es ist eine neue Phase eines Propagandakrieges, die alles Bisherige in den Schatten stellt. „Der Russe ist schuld!“ Joseph Goebbels läßt grüßen.
Ob es nun Ende des Monats zu einem neuen Beginn von Gesprächsversuchen kommen wird, ist keineswegs ausgemacht. Auch nicht, ob etwaige Gespräche zu einem Ergebnis führen werden. Denn die scharfen verbalen Attacken gegen Damaskus und gegen Moskau zeigen mehr als deutlich, dass der Westen und seine Verbündeten am Golf und in Ankara ihr eigentliches Ziel nicht aufgeben wolle.