Venezuelas Opposition zwischen Fototermin und Hausarrest

Propaganda mit Dreitagebart

Von lmö

Sie sind die Helden unserer Medien: Leopoldo López, „Oppositionsführer“ im Hausarrest, Dreitagebart, Harvard-Absolvent; und Caterina Ciarcelluti, „Venezuelas schönste Demonstrantin“, steinewerfendes Model und Sportlerin, BILD-hübsch.

Letztere ist ein Abziehbild des Teils der Opposition, der Menschen angreift, Barrikaden baut und sich dann ablichten lässt, wenn die Polizei vorrückt. Egal ob männlich oder weiblich, die gewaltbereite Opposition ist fast immer gutaussehend, durchtrainiert und jung – oder zumindest auf ein jugendliches Aussehen umoperiert, schließlich ist auch Frau Ciarcelluti bereits Mitte vierzig.

Leopoldo López, Unterstützer des Putschversuches gegen Chávez 2002, ist auch so ein Titelbild-taugliches Oberschichtenkind. Er wird u.a. für die Gewalt bei den Protesten im Jahr 2014, bei denen 43 Menschen getötet und über 600 verletzt worden sein sollen, verantwortlich gemacht und deshalb 2014 verhaftet. López gehört zum gewaltbereiten Teil der Opposition. Sicherlich ein Grund, warum Donald Trump erklärte, er werde sich persönlich darum kümmern, dass López kein Schaden zugefügt werde.

López studierte in den USA Wirtschaftswissenschaften, arbeitete dann in Venezuela bis 1999, als Chávez zum Präsidenten gewählt wurde, beim staatlichen Erdölkonzern PDVSA, wurde dann Berufsoppositioneller. An seiner Seite steht Lilian Tintori, nationale Kitesurfing-Meisterin und Teilnehmerin an der Realityshow „Robinson: La Gran Aventura“. Auch sie ein „Gesicht des Widerstands“ (Die Welt), vermeldete im Juni, ihr Mann würde in der Haft gefoltert. Belege dafür gibt es bisher keine.

Aber Belege braucht es nicht. Wenn ARD und ZDF über Venezuela berichten – meist aus Mexiko oder Brasilien – dann können die Korrespondenten gerne behaupten, das Militär würde sich nicht gegen die Regierung stellen, weil Chávez die Generäle zu Millionären gemacht habe. Ein „Faktencheck“, sonst gerne genutztes Mittel der Öffentlich-Rechtlichen, um ihre Berichterstattung glaubhafter zu machen, wird dafür nicht bemüht. Sätze wie „Nicolas Maduro, der gerne Salsa tanzt, auch wenn draußen Straßenschlachten toben“ schafften es über „Die Welt“ (Ende 2016) über den „Focus“ (Mai 2017) bis in die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten und dürfen inzwischen als Klassiker der Anti-Maduro-Propaganda bezeichnet werden.

Besonders poetisch und vor allem authentisch berichtet ARD-Korrespondentin Mellmann über Venezuela. „Als Kind der DDR sammelte Anne-Katrin Mellmann Altstoffe für Nicaragua“, heißt es auf der Website des RBB. Ihr aktueller Kommentar zur Lage nach dem ersten Zusammentreten der Verfassunggebenden Versammlung: „Wenn ich die Bilder aus der frisch inthronisierten, angeblich „verfassunggebenden“ Versammlung sehe, spüre ich denselben Grusel wie beim Anblick von Kim Jong Un. Da sitzt die frisch gekürte Chefin des Gremiums, Delcy Rodriguez, die sich das triumphierende Grinsen nicht einmal mehr verkneift, als sie die Entlassung der unbequemen Generalstaatsanwältin Ortega verkündet. Ähnlich lacht Nordkoreas Diktator. (…) Auf das einstimmige Ergebnis, 100 Prozent, zur Entlassung Ortegas hätte selbst noch Erich Honecker neidisch sein können. Auch so einer, der behauptete, das Volk regiere das Land.

Das Volk steht vor allem draußen auf der Straße und fragt sich, wann es sich wieder satt essen kann.“

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"Propaganda mit Dreitagebart", UZ vom 11. August 2017



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