„Die Arbeitslosigkeit verfestigt sich“, titelte die FAZ am letzten Wochenende und brachte dazu ein Bild von zwei mit Trillerpfeifen protestierenden VW-Arbeiterinnen. Die für diese Zeitung bemerkenswerte Bild-Kommentierung lautete „Grund zum Lärmen: VW-Beschäftigte, hier in Hannover, bangen derzeit um ihre Jobs“.
Kurz vor Weihnachten einigten sich IG Metall und VW-Vorstand nach nächtelangen Verhandlungen auf massive Lohneinbußen für die 130.000 bei VW in Deutschland in Lohn und Brot Stehenden. VW verzichtet im Gegenzug – zumindest offiziell – auf eine Schließung von VW-Standorten. Die DKP kommentierte in einer Pressemitteilung: „Die Einigung ist keine frohe Botschaft. (…) Über sechs Jahre will der Konzern 35.000 Stellen abbauen. Das entspricht dem ‚Produktionsumfang von zwei bis drei großen Werken‘, wie VW-Chef Oliver Blume bestätigte. Die Kapazität der Werke werde um mehr als 700.000 Fahrzeuge pro Jahr reduziert.“ Blume sei zudem der Frage ausgewichen, ob die Beschäftigten sicher sein können, nicht schon im nächsten Jahr wieder zur Kasse gebeten zu werden.
Insbesondere in kleineren Werken wie in Osnabrück, Zwickau und Dresden geht die Angst um, nach und nach immer weiter ausgeschlachtet und dann auf dem Markt zum Verkauf angeboten zu werden. Für alle werden die jährliche Erfolgsprämie und das tarifliche Urlaubsgeld von 1.200 Euro gestrichen. Gekürzt werden auch die Jubiläumsprämien. Die Tarifgehälter sollen – wie im Flächentarif – in mehreren Stufen um insgesamt 5,5 Prozent zwar steigen. Aber dieses Geld landet eben nicht auf den Konten der Beschäftigte, sondern fließt bis Ende 2030 in einen „Zukunftsfonds“, der den Stellenabbau mitfinanzieren soll.
Klar ist damit auch, dass in Gegenden um die VW-Werke herum – Wolfsburg, Salzgitter, Kassel, Emden, Hannover – 130.000 Familien künftig ihren Euro dreimal umdrehen werden, bevor sie ihn im Einzelhandel, in der Gastronomie oder gar für die Anschaffung eines Eigenheims ausgeben. Das Schrumpfungsprogramm von VW ist ein Programm der Verödung der bisher durch den Erfolg von Volkswagen florierenden Regionen, insbesondere im Industriedreieck zwischen Hannover, Braunschweig und Kassel. Dieser Landstrich wird von einer Wohlstands- zu einer Krisenregion werden.
Volkswagen, das einst in Europa und weltweit den Automarkt prägte, kommt in einem Interview, das zum Beginn des neuen Jahres der Bochumer Wirtschaftswissenschaftler Ferdinand Dudenhöffer auf „ntv“ gab, nur noch in der Vergangenheitsbetrachtung vor. Er verkündete Zahlen, durch die sich jene bestätigt sehen können, die eher düster-realistisch in die Zukunft blicken: In China sind im vergangenen Jahr 30 Millionen Fahrzeuge produziert worden, in Deutschland von allen Produzenten zusammen 4,4 Millionen. Das sind insgesamt knapp so viele wie vom chinesischen Marktführer BYD allein. Dieser Konzern aber profitiert damit nicht nur von sogenannten Skaleneffekten, die früher der Massenhersteller VW erzielte, sondern liegt technisch weit vor den Autobauern in Wolfsburg: Gebaut werden von BYD ausschließlich Plug-in-Hybride und Elektroautos. China habe „ein Wirtschaftswunder entfacht“, vor allem in Innovationen investiert und die Digitalisierung von Fahrzeugen vorangetrieben, so Dudenhöffer.
Der Niedergang von VW und anderer Leuchttürme der deutschen Industrie ist kein unabwendbares Schicksal. Eine Option besteht darin, sich einzubringen in die neuen Wertschöpfungsketten in China. Das erfordert Kooperation statt Konfrontation. Deutsche Ingenieure könnten vom dortigen Know-how profitieren und die Türen für chinesische Investitionen in Deutschland öffnen. Stattdessen stellt die deutsche Regierung jeden Studierenden aus China unter Generalverdacht, ein Spion zu sein, und sieht bellend zu, wenn Werke statt hierzulande in Ungarn und anderswo entstehen.