Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen haben sich Journalistinnen und Journalisten bei einem Warnstreiktag am 9. Juli für eine bessere Bezahlung stark gemacht. Während sich über 400 Streikende zu einer Kundgebung vor dem Kölner Vierscheibenhaus des Westdeutschen Rundfunks (WDR) versammelt hatten, kam es auch zu Störungen im Programmablauf. So musste ein Drehtag der „Lindenstraße“ abgesagt werde. Auch auf das „Morgenmagazin“ (MoMa) hatte der Streik Auswirkungen. So waren Mitglieder der Gewerkschaft ver.di ausgestattet mit Warnwesten und Flaggen ins Kölner Sendestudio marschiert, um für ihre Positionen zu protestieren. Infolgedessen wurde die Live-Sendung für eine Stunde ausgesetzt und durch eine Aufzeichnung ersetzt.
Die Gewerkschafter fordern von den Arbeitgebern unter anderem eine Erhöhung der Einkommen um einen Sockelbetrag von 150 Euro, die prozentuale Erhöhung der Einkommen und Effektivhonorare um 6 Prozent – im Volumen inklusive des Sockelbetrags – bezogen auf 12 Monate. Zudem sollen die Beschäftigten das Recht haben, die Erhöhung der Einkommen in zusätzliche „freie Zeit“ umzuwandeln. Auch das Ausbildungsentgelt soll um 100 Euro – bezogen auf 12 Monate Laufzeit – erhöht werden. Die prekäre Situation von freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern soll verbessert werden. So sollen Tage mit Schulungen fortan mit 200 Euro je Tag honoriert werden. Krankengeld soll bereits ab dem ersten Tag einer Arbeitsunfähigkeit bezahlt und der Härtefallfonds für Freie verlängert und aufgestockt werden. Betroffen von den Tarifforderungen der Gewerkschaft wären insgesamt 4 200 Beschäftigte und rund 2 200 sogenannte „feste Freie“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WDR.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und seine Beschäftigten leisteten einen unverzichtbaren Beitrag zur Demokratie in einer Zeit, in der der öffentliche Diskurs wegen der Dominanz der digitalen Plattformen immer mehr verrohe, erklärte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. „Die Beschäftigten von ARD, ZDF und Deutschlandradio setzen Leuchttürme seriöser Information, Analyse und Meinung in das weite Meer der durchs Internet schwappenden Hasstiraden und Falschnachrichten. Dafür erwarten sie zurecht angemessene Bedingungen, und zwar orientiert am öffentlichen Dienst“, unterstrich er die Forderungen der Kolleginnen und Kollegen. Unterstützung für die Proteste kam auch vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV). „Die Arbeitskampfmaßnahmen sollen der Geschäftsführung des WDR deutlich machen, dass nur konstruktive Verhandlungen zum Ziel zukunftsfähiger Tarifverträge führen“, sagte DJV-Verhandlungsführer Volkmar Kah.
Dass die Arbeitgeberseite, die auch in der dritten Verhandlungsrunde kein verändertes Angebot vorgelegt hat, sondern auf weitreichende Einschnitte bei den Beschäftigten besteht, auch weiterhin an ihrer Politik der Ignoranz festhalten kann, gilt weitestgehend als ausgeschlossen. Allein der erfolgreiche Warnstreiktag am 9. Juli dürfte den Arbeitgebern schließlich deutlich gemacht haben, dass die Kampfbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen immer weiter steigt.
„Die Streikenden haben diese Woche gezeigt, wie wichtig die Arbeit der Beschäftigten für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk und damit für eine demokratische Gesellschaft ist. Da die Arbeitgeberseite dieses Signal noch nicht verstanden hat, können wir weitere Warnstreiks beim WDR nicht ausschließen“, kündigte Christof Büttner, Landesfachbereichsleiter Medien bei ver.di in NRW, an. Schon dies dürfte deutliche Auswirkungen auf die nächste Runde der Tarifverhandlungen haben, die am 23. August in Köln fortgesetzt werden sollen.
Ein bemerkenswertes Demokratieverständnis bewies unterdessen der Leiter des WDR-Bereichs Breitenprogramme, Jochen Rausch, in einer Rundmail. Darin forderte er Moderatorinnen und Moderatoren auf, mögliche Streiks beim WDR nicht im Programm zu thematisieren. Es solle selbstverständlich sein, dass Moderatoren „ihre Position am Mikrofon nicht dazu benutzen, sich inhaltlich zum Thema zu äußern, sondern neutral verhalten. Nicht die Gewerkschaften, sondern einzig und allein der WDR hat die Programmverantwortung und entscheidet, inwieweit Streiks gegen den WDR zu Programminhalten werden. (…) In der Vergangenheit gab es bei dieser Thematik gelegentlich Missverständnisse, deshalb weise ich noch einmal ausdrücklich darauf hin“, schrieb er.
Die Gewerkschaft widersprach dieser Sicht auf die Dinge jedenfalls energisch und verwies auf das Grundgesetz: „Das Streikrecht ist ein Grundrecht, das sich aus Artikel 9 GG ableitet. Journalistinnen und Journalisten nehmen ebenfalls ein Grundrecht in Anspruch, die Rundfunkfreiheit, das sich aus Artikel 5 GG ableitet. Wir fordern Sie daher auf, solche inhaltlichen Eingriffe in die Berichterstattung über das Tarifgeschehen im Sender in Zukunft zu unterlassen.“