Widerstand regt sich gegen den Bau der Tesla-Gigafactory am Standort Grünheide in Brandenburg. UZ sprach mit Manuela Hoyer. Sie ist Vorstandsvorsitzende des Vereins für Natur und Landschaft in Brandenburg e. V. (VNLB) und Mitbegründerin der Bürgerinitiative Grünheide, die sich gegen die Industrieanlage in einem Trinkwasserschutzgebiet engagiert.
UZ: Sie haben die Bürgerinitiative Grünheide gegründet und engagieren sich dort gegen die Tesla Gigafactory. Was haben Sie am Bau der Fabrik auszusetzen?
Manuela Hoyer: Wir haben am Bau dieser Fabrik sehr vieles auszusetzen, weil diese in einem Trinkwasserschutzgebiet steht. Das ist für uns ein Unding und ist gleichzusetzen mit dem Bau einer Chemiefabrik in einem Trinkwasserschutzgebiet. Wenn es nur zu einem einzigen Störfall kommt, hat das umgehend Auswirkungen auf das Grundwasser und somit auch auf das Trinkwasser. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Menschen hier vor Ort in unserer Gemeinde, sondern auch auf das Wasser der ganzen Region und der Berlinerinnen und Berliner, die ebenfalls Wasser von hier beziehen. Hinzu kommt, dass wir in Brandenburg seit Jahren unter Wasserknappheit leiden.
UZ: Elon Musk hat sich auf Nachfrage von Journalisten bei einem Vor-Ort-Termin darüber lustig gemacht, dass durch den Bau seiner Gigafabrik eine noch verschärfte Wasserknappheit drohe. Was halten Sie dem entgegen?
Manuela Hoyer: So einem Unsinn muss man nicht einmal etwas entgegensetzen. Derlei spricht eigentlich für sich selbst. Dieser Mann hat einfach nur Dollarzeichen in den Augen, der Schaden für Umwelt, Klima und Natur, den er zu verantworten hat, interessiert ihn Null.
UZ: Trotzdem wird der Mann von seinen Anhängerinnen und Anhängern verehrt wie ein Heiliger …
Manuela Hoyer: Ich bin absolut keine Freundin von Personenkult. Egal in welchem Fall.
UZ: Ergeben sich durch den Bau der Fabrik neben der Trinkwasserversorgung auch weitere Probleme? Schließlich sind ja bereits einige Waldstücke für den Bau des Werkes abgerissen worden.
Manuela Hoyer: Ja, genauso ist es. Über 90 Hektar Wald mussten der Fabrik bereits weichen, was natürlich schon jetzt das Mikroklima beeinflusst. Das ist doch klar. Das Ganze ist ein Skandal ohnegleichen und ein Verbrechen an der Umwelt. Hier wurde das größte zusammenhängende Waldgebiet von ganz Deutschland mit über 100 Quadratkilometern zerstört. Und es ist ja nicht nur dieser Wald, der für Tesla gerodet wurde. Aktuell befinden wir uns ja erst bei der ersten Ausbaustufe der Fabrik. Es ist ja von insgesamt vier Ausbaustufen die Rede. Außerdem, wenn jetzt die Infrastruktur angepasst werden muss, weil die Straßen vierspurig ausgebaut werden oder wenn Wohnblocks gebaut werden müssen für die Angestellten, die nicht so viel verdienen und sich kein eigenes Häuschen leisten können, droht ja auch noch, dass zukünftig noch tausende Hektar Wald abgeholzt werden. Es wird also am Ende viel Wald für eine Brückentechnologie abgeholzt werden, nämlich für die E-Mobilität. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese E-Mobilität spätestens in zehn Jahren vorbei sein wird. Und dafür wird die Natur so zerstört. Es ist für mich ein Unding. Auch mit Bürgerbeteiligung hat das Ganze rein gar nichts zu tun! Wir erwarten, dass die Bürgerinnen und Bürger mitgenommen und nicht nur abgespeist werden.
UZ: Werden denn zumindest Ausgleichsflächen für die Waldrodungen geschaffen, zu denen es bereits gekommen ist? Oder spielt das keine Rolle?
Manuela Hoyer: Die Schaffung von Ausgleichsflächen ist auch so ein beliebtes Argument. Der Wald, der hier stand, war über einhundert Jahre alt. Es wurden dann Ausgleichsflächen benannt, die aber bei weitem keine 90 Hektar sind, sondern kleine Parzellen. Ja, dort wurden Bäume gepflanzt. Ich werde es aber mit meinem Alter von 61 Jahren sicher nicht mehr erleben, dass diese CO2 speichern. Insoweit ist das kein Argument. Außerdem müssen die Bäume ja auch noch anwachsen. Und wie gesagt, hier in Brandenburg handelt es sich um die größte Dürreregion der Bundesrepublik. Wir als Bevölkerung werden seit Jahren aufgefordert, weniger Wasser zu verbrauchen, und dann kommt mal eben der reichste Mann der Welt und kriegt Wasser ohne Ende.
UZ: Alles das dürfte ja tatsächlich auch den zuständigen Behörden und der Landesregierung bekannt sein. Warum sind diese Erkenntnisse nicht beachtet oder entsprechend gewürdigt worden?
Manuela Hoyer: Ich will es mal so formulieren: Meines Erachtens waren die Zuständigen übermäßig glücklich, dass Elon Musk, der mittlerweile der reichste Mann der Welt ist, ausgerechnet nach Brandenburg kommen und hier eine Fabrik bauen wollte. Und da wollten sie sich nicht lumpen lassen und haben ihm alles unterwürfig vor die Füße gelegt, ihm den roten Teppich ausgerollt und ihm alles ermöglicht, damit er hier bloß diese Fabrik bauen lässt. Die Verantwortlichen wollen auch hier in Brandenburg endlich Industrieland werden.
UZ: Welche Folgen hatte die von Ihnen und Ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern angebrachte Kritik bisher? Gelten Sie nun als eine Art Nestbeschmutzerin?
Manuela Hoyer: Ja, tatsächlich gelten wir hier in Brandenburg mittlerweile als Störfaktor. Das ist aber ganz klar, weil es auch so ist. Auch in der Bevölkerung haben wir nur wenig Zuspruch. Viele Menschen überblicken einfach bisher nicht, was hier eigentlich passiert. Andere interessiert es einfach nicht. Wieder andere sind für den Bau. Spätestens dann, wenn die Menschen aber das Trinkwasser kaufen müssen, weil hier vor Ort kein sauberes Trinkwasser mehr aus den Leitungen kommt, dann wird es einen großen Aufschrei geben. Da bin ich mir sicher.
UZ: Was entgegnen Sie dem Vorwurf, dass mit dem Bau der Tesla-Fabrik viele Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region entstehen?
Manuela Hoyer: Es ist Lüge, wenn in dieser Angelegenheit mit der Schaffung von Arbeitsplätzen argumentiert wird, weil die wenigsten, die dann bei Tesla arbeiten, aus der Region kommen. Sie kommen vielmehr von überall her. Hier müssen nun Wohnungen und Häuser gebaut werden, die gesamte Infrastruktur muss ausgebaut werden, damit die vielen Menschen, die eventuell bei Tesla arbeiten wollen, auch eine Unterkunft haben. Wenn aber Tesla dann nach zehn Jahren, die sie hier bleiben müssen, weil so viele Subventionen geflossen sind, vielleicht geht, haben wir hier die höchste Arbeitslosenquote in Brandenburg, vielleicht sogar in ganz Deutschland.
Und das Argument „Schaffung von Arbeitsplätzen“ zieht außerdem nicht, weil man hier mittlerweile bereits mitbekommen hat, dass die Fachkräfte, die hier arbeiten sollen, schon lange in Lohn und Brot sind und von anderen Automobilkonzernen abgeworben werden. Mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze haben wir es hier in übergroßer Mehrheit mit Sicherheit nicht zu tun.
UZ: Erhalten Sie bei Ihrer Arbeit Unterstützung von Klima- und Umweltbewegungen wie etwa „Fridays for Future“ oder anderen Initiativen?
Manuela Hoyer: Mit „Fridays for Future“ haben wir versucht, Kontakt aufzunehmen. Die finden Elektromobilität aber toll und der Bau der Tesla Giga Factory interessiert sie auch nicht. Das ist dann wohl so. Wir arbeiten aber ansonsten sehr eng mit den Umweltverbänden zusammen. Also beispielsweise mit NABU und Grüne Liga, auch mit dem BUND. Mit diesen Organisationen sind wir gut vernetzt.
UZ: Nun ist der erste Teil der Fabrik gebaut. Sehen Sie überhaupt noch Möglichkeiten, schlimmere Schäden für die Natur und das Klima zu verhindern? Oder handelt es sich in dieser gesamten politischen Auseinandersetzung um einen Kampf gegen Windmühlen, den Sie nicht gewinnen können?
Manuela Hoyer: Klar, es handelt sich hier schon um einen Kampf David gegen Goliath. Und trotzdem: Wenn es uns nicht gegeben hätte, dann würde die Produktion hier schon seit Juli laufen. Und ja, wir werden alles daran setzen, auch weiterhin Sand ins Getriebe zu streuen. Damit es endlich alles richtig geprüft wird und auch entsprechende Untersuchungen stattfinden. Bis heute gibt es doch nicht einmal ein ordentliches geologisches und hydrologischen Gutachten. Letztendlich wissen die Verantwortlichen nicht einmal, wie es um den Boden unter der Fabrik bestellt ist. Wir fordern daher, den Bau sofort zu stoppen und sämtliche Gutachten und Untersuchungen erst mal einzuleiten. Wir bleiben jedenfalls am Ball!