Das Bundeskabinett billigte am 20. Dezember einen vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Entwurf eines „Postrechtsmodernisierungsgesetzes“. Tim Laumann erklärt in seinem mehrteiligen Beitrag, was das neue Postgesetz bringt.
Der Referentenentwurf zum Gesetz „zur Modernisierung des Postrechts“, auch Postrechtsmodernisierungsgesetz (PostModG) genannt, beginnt mit einer Lüge. Denn darin wird behauptet, das geltende Postgesetz hätte die Briefmärkte für den Wettbewerb geöffnet und gleichzeitig die flächendeckende Versorgung sichergestellt. Wie diese „Sicherstellung“ der flächendeckenden Versorgung aussieht, belegen die 10.000 Beschwerden, die allein im Oktober 2022 bei der Bundesnetzagentur eingegangen sind.
Die Post ist Teil der Infrastruktur in Deutschland, die im Zuge der Privatisierungen seit den 1970er Jahren zerstört wurde – wie auch die Bahn und das Gesundheitswesen. In all diesen Bereichen zerfallen die grundlegenden staatlichen Dienstleistungen, während Milliarden Euro privatisiert werden. So erhielt Frank Appel in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post AG das 71-fache eines normalen Postarbeiters.
Zu Appels Leistungen gehört, dass unter ihm die Beschwerden bei der Bundesnetzagentur auf das fünffache stiegen: Von etwas weniger als 2.000 im Jahr 2011 auf etwas mehr als 10.000 im Jahr 2021.
Fassen wir also zusammen: Die Privatisierung, die nach den beiden Postreformen im Postgesetz 1998 ihren Abschluss fand, hat die Zustellqualität massiv verschlechtert, die Zusteller massiv unter Druck gesetzt und die Aktionäre und den Vorstand unglaublich reich gemacht. Es gab weder mehr Wettbewerb – die Post hat im Postmarkt kaum Anteile eingebüßt – noch eine flächendeckende Versorgung.
Begründet wird die Notwendigkeit einer Änderung des Postgesetzes mit dem „Wandel der Bedeutung des Briefs“, „veränderten Anforderungen an den postalischen Universaldienst“ unter dem Einfluss der „Digitalisierung“ und – weit weniger ominös – dessen Finanzierung. Hier wird uns das Märchen vom „Megatrend“ namens Digitalisierung erzählt. Diese mache die Welt neu, und deswegen ändere sich sehr viel.
Digitalisierung ist ein Totschlagargument, gegen das der Gewerkschaftssekretär Peter Schadt unter anderem in den „Marxistischen Blättern“ (Heft 5/2021) angeschrieben hat. Denn die Digitalisierung ist kein Subjekt, sie ist eine Veränderung in Produktion und Konsumtion. Sie ist Technik, wird also von denen bewusst eingesetzt, die die Technik nutzen, um damit Profit zu machen.
Dass weniger Briefe versendet werden, hat für die Notwendigkeit einer neuen Gesetzgebung keine Bedeutung. Auch ist die Mär von den „zurückgehenden Briefmengen“ zu hinterfragen. Zwar sind nominell 14,12 Milliarden Briefe im Jahr 2022 weniger als die im Jahr 2016 versendeten 18,63 Milliarden; aber das Verhältnis verändert sich: 2022 wurden zum ersten Mal auch offiziell mehr Dialog-Sendungen (6,95 Milliarden) zugestellt als Brief-Kommunikation (6,26 Milliarden).
Dabei fallen aber immer häufiger kommende Sonderwerbesendungen für lokale Super- oder Baumärkte, aber auch Dauerwerbesendungen wie „Einkauf-Aktuell“ aus der Zählung heraus. Die vielen Beschwerden zeigen, dass die Postmenge ausreicht, um die dünngesparte Personaldecke der Post zum zerreißen zu spannen.
Der Kern ist auch hier: Die Post argwöhnt, dass sie nicht genug Profit macht. Sie will aber mehr Profit machen können, und deswegen will sie die Neuregelung des Postgesetzes. Bei schwankender, tendenziell sinkender Briefmenge kann man das durch die Verdichtung von Arbeit, die Personalkosten und die Verbindung von Post- und Paketzustellung erreichen.