Parteien lenken die Klimadebatte weg von den Verursachern

Profis am Werk

Von Stefan Kühner

Die Parteien des Bundestags sind unter Druck. Die Schüler hören nicht auf zu demonstrieren und an vielen Orten schließen sich Eltern und Großeltern den Protesten an. Die Parteien fühlen sich gezwungen zu reagieren. Doch bei den Hauptverantwortlichen des hohen CO2-Ausstoßes anzupacken, kommt nicht in Frage. Denn es sind die Energiewirtschaft und die Automobilindustrie, deren Profite geschmälert würden. Die Debatte wird umgelenkt: Statt wirksamer Maßnahmen gegen den Klimawandel wird eine Verbrauchssteuer diskutiert. Mit großem Getöse wird sie von der Berliner Politik auch noch mit Parolen verkauft, wie: „Wir haben verstanden und tun etwas.“

Im ZDF erklärte der FDP-Mann Lindner: „Klimaschutz ist etwas für Profis.“ Man müsse doch auf die individuelle Mobilität der Menschen achten. „Wir glauben nicht zu wissen, was die bestehende technische Antwort auf Zukunftsherausforderungen sind. (…) aber wir müssen wegkommen von den planwirtschaftlichen Einzelgängen (…) CO2 muss einen marktwirtschaftlichen Preis bekommen. (…) Jeder, der einen Anteil haben möchte am Fliegen, Verbrennungsmotor, für Energie oder Fleisch, der muss sich seinen Anteil kaufen.“ Der Preis sollte sich am Markt bilden. Es dürfe keine Verzichtsgesellschaft geben. Das müsse man alles technisch lösen.

Der Grüne Habeck will nichts anderes. „Die fossilen Energien müssen teurer werden. Es wird nicht ohne CO2-Steuer gehen.“ Auf die Frage, ob dann nicht nur die Armen bezahlen, weil die Reichen es sich doch leisten können, antwortet er: „Was wir vorhaben ist ein marktwirtschaftliches Instrument.“ Allerdings soll es aber Entlastungen für die Bürger geben. Angesprochen auf konkrete Maßnahmen, spricht sich Habeck für eine Besteuerung des Flugbenzins aus und will damit die Bahntickets durch eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf 7 Prozent verbilligen. Außerdem solle es mehr Züge geben und bessere Fahrpläne. Das hört sich gut an, aber die Kerosinsteuer würde einen Flug von Stuttgart nach Berlin um zirka  10 Prozent – also je nach Uhrzeit um vier bis zehn Euro – verteuern. Diejenigen, die eh aufs Fliegen setzen, wird das wohl kaum abhalten.

Auch die SPD setzt auf eine CO2-Bepreisung mit nachgeschalteter „Klimaprämie“. Ziel sei es, Menschen mit einem niedrigen CO2-Verbrauch und insbesondere Geringverdiener zu entlasten, sagte die kommissarische Parteichefin Malu Dreyer der „Rheinischen Post“. „Benzin und Heizöl werden teurer, dafür wird im Gegenzug pro Kopf eine Klimaprämie ausgezahlt.“ Wer wenig CO2 verbrauche, werde „kräftig profitieren“, sagte Dreyer. Dies betreffe insbesondere Menschen mit geringeren Einkommen, „weil sie typischerweise weniger CO2 verbrauchen“. Eine bestechende und zutreffende Logik: Menschen die kein Geld haben, können sich weniger leisten und tragen deshalb in der Regel auch weniger zum CO2-Ausstoß bei. Nur trifft eine Steigerung der Energiepreise Menschen mit geringen Einkommen besonders hart, CO2 können sie kaum einsparen.

Die CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer hatte bereits zuvor im Deutschlandradio gesagte, ihre Partei wolle nicht „vorschnell zu einem scheinbar einfachen Mittel greifen“. Unbestritten sei, dass die Politik den CO2-Ausstoß über die Bepreisung reduzieren müsse. „Die Frage ist nur, was ist das beste System der Bepreisung?“ Der Emissionshandel und die Vergabe von Zertifikaten könnten „deutlich mehr Hebelwirkung“ erzielen als eine CO2-Steuer.

Auch Teile der Linken fordern die CO2-Steuer. „Es ist allerhöchste Eisenbahn, dass CO2-Ausstoß endlich ein Preisschild bekommt“, drängte der Linken-Klimaexperte Lorenz Gösta Beutin in Berlin zum Handeln. Er warnte zugleich vor einem zu niedrigen CO2-Preis als „Wahlkampf-Klimaschutz-Kosmetik“.

Den höchsten CO2-Ausstoß verursacht die Energiewirtschaft (42 Prozent). Der Verkehr liegt bei 24 Prozent, Industrie 14 Prozent und die Gebäudewirtschaft bei 8 Prozent. Die Energiewirtschaft muss gezwungen werden, ihren CO2-Anteil zu reduzieren, zum Beispiel durch alternative Energien und verbesserte Technik. Die Subventionen für Industrien mit hohem Energieverbrauch (Stahl, Aluminium, Chemie) sind zu streichen, um sie zu zwingen, weniger Energie zu verpulvern. Im Verkehr muss es darum gehen, dass eine echte Verkehrswende stattfindet. Weg von der profitträchtigen Autoindustrie – hin zu öffentlichen Verkehrssystemen, weg von den privaten Betreibern.

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"Profis am Werk", UZ vom 2. August 2019



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